Vanja wäre gern „divers“: BGH verwirft drittes Geschlecht
Karlsruhe (dpa) - Bei Fragebögen scheitert Vanja oft schon an der zweiten Frage: „Manchmal ist es halt wirklich so, dass so ein blödes Formular, auf dem nur „m“ oder „w“ steht, einen dazu führen kann, sich erst mal wieder zwei, drei Stunden nur zu ärgern.“, sagt Vanja.
Vanja, 26 Jahre alt, ist intersexuell, weder Mann noch Frau. Ein Video im Internet zeigt einen Menschen mit Bartansatz, weichen Gesichtszügen, dunklen Augen und einem sympathischen Lächeln. Also was ankreuzen?
Ein drittes Kästchen wie „inter“ oder „divers“ wäre die Lösung, sagen Vanja aus Leipzig und ihre Unterstützerkampagne „Dritte Option“. Seit 2014 streiten sie für die Einführung eines dritten Geschlechts - bisher erfolglos: Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe hat sich dagegen entschieden. (Az. XII ZB 52/15)
Intersexualität - was ist das genau?
Intersexuelle Menschen kommen zwischen den Geschlechtern zur Welt. Bei ihnen lassen sich die bestimmenden Merkmale wie Chromosomen, Hormone, Keimdrüsen oder äußere Geschlechtsorgane nicht eindeutig zuordnen. Dadurch haben sie einiges von einem Mann und anderes von einer Frau. Früher war meistens von „Zwittern“ die Rede, das wird aber von manchen als diskriminierend empfunden. Der Ethikrat geht davon aus, dass es in Deutschland etwa 80 000 Intersexuelle gibt. „Darunter sind aber auch viele, die sagen: Ich bin eine Frau. Oder: Ich bin ein Mann“, sagt Moritz Schmidt von „Dritte Option“.
Welche Probleme haben Intersexuelle?
Das merkt man schnell, wenn man versucht, Vanjas Geschichte zu erzählen. Sie oder er? Die Initiative schreibt „er*sie“ und nennt Vanja „Kläger*in“. „Ein Geschlecht ist immer noch eine Kategorie, die in unserer Gesellschaft sehr, sehr wichtig ist“, sagt Vanja selbst. Betroffene, deren Eltern versucht haben, nach der Geburt mit einer Operation Klarheit zu schaffen, leider darunter oft ein Leben lang. Ende 2015 erstritt eine Intersexuelle in Nürnberg Schmerzensgeld, weil sie von ihren Ärzten vor einer Hormonbehandlung und Operation nicht ausreichend aufgeklärt worden war und schwer erkrankte.
Wie ist die rechtliche Situation?
Seit November 2013 darf ein Neugeborenes auf Empfehlung des Ethikrats ohne Angabe ins Geburtenregister eingetragen werden, wenn das Geschlecht unklar ist. Vanja wurde 1989 auf dem Standesamt im niedersächsischen Gehrden bei Hannover als Mädchen registriert. Laut BGH-Urteil steht es Intersexuellen frei, diese Angabe heute streichen zu lassen. Aber das will Vanja nicht. „Keinen Eintrag zu haben ist für mich eben nicht dasselbe wie einen passenden Eintrag zu haben“, heißt ein Zitat in einer Pressemitteilung der Unterstützer.
Warum spricht sich der BGH gegen ein drittes Geschlecht aus?
Vereinfacht gesagt: Weil das im deutschen Familienrecht nun mal nicht vorgesehen ist. Der Gesetzgeber habe sich dagegen entschieden, ein weiteres Geschlecht zu schaffen, begründen die Karlsruher Richter ihre Entscheidung. Rechtlich mache der Eintrag im Geburtenregister für Intersexuelle damit „keinen - verfassungsrechtlich bedeutsamen - Unterschied“. Vanja gehe es nicht um Fragen der Abstammung oder der Partnerschaft. Die Frage, ob der Gesetzgeber womöglich verpflichtet sein könnte, dann eben in einem großen Wurf das ganze Familienrecht entsprechend zu ändern, beantwortet der BGH daher nicht.
Wie geht es jetzt weiter für Vanja?
Die Initiative will weiterziehen vors Bundesverfassungsgericht. Dort soll am 2. September Verfassungsklage eingereicht werden.