Wenn frische Mütter nur noch leiden: Babyblues oder Depression?
Hamburg (dpa/tmn) - Zu wenig Schlaf und ein Baby, das permanent Aufmerksamkeit fordert: Die ersten Wochen nach der Geburt schlauchen. Manche Mütter kommen aus diesem Loch nicht mehr raus. Steckt hinter dem Stimmungstief eine Depression, helfen manchmal nur Medikamente.
Ein zufriedenes Baby und eine Mutter, die vor Freude außer sich ist: Gerade in den ersten Tagen nach einer Geburt sind viele Frauen weit entfernt von dieser Vorstellung. Nicht selten ist erst einmal das Gegenteil der Fall: Die Mütter sind verletzlich, dünnhäutig und reizbar, Heulanfälle gehören dazu. Die Rede ist dann vom Babyblues. Doch bei 10 bis 15 Prozent aller Mütter kommt auch nach einigen Wochen noch keine rechte Freude auf. Sie sind traurig, können für das Neugeborene nicht viel empfinden und schlafen nicht mehr - alles möglicherweise Anzeichen einer Depression.
„In ihren fruchtbaren Jahren haben Frauen ohnehin ein höheres Depressionsrisiko im Vergleich zu Männern, da liegen die Erkrankungszahlen bei Müttern gar nicht so viel höher als bei Frauen ohne Kinder“, sagt Anita Riecher-Rössler von den Universitären Psychiatrischen Kliniken in Basel. „Eine Depression oder eine andere psychische Erkrankung bei Müttern hat aber andere Folgen, denn sie kann die Bindung zum Kind beeinträchtigen.“
Das angemessene Reagieren der Mutter auf die Bedürfnisse des Babys gilt als wichtig für dessen Entwicklung. „Der typische Babyblues dauert nur einige Tage bis zwei Wochen, bei manchen Frauen tritt er gar nicht auf. Er kann aber in eine Depression münden, und diese ist nicht immer leicht zu erkennen“, sagt die Psychologin Brigitte Ramsauer vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).
Generell können Hebammen eine wichtige Rolle dabei übernehmen, Anzeichen einer Depression zu erkennen. „Wir haben den Vorteil, dass wir zu den Frauen nach Hause kommen und mehr Zeit mit ihnen verbringen“, sagt Dagmar Weimer, Psychologin und Hebamme in Kleinostheim.
Laut der Hebamme existiert noch ein weiteres Phänomen zwischen Babyblues und lang anhaltender Depression. Sie nennt es „Krisenzeit Wochenbett“. „Die ersten sechs bis acht Wochen nach der Geburt können mit Ängsten und Antriebslosigkeit einhergehen, das muss nicht immer, kann aber zu einer Depression werden“, sagt Weimer. Dann hänge es davon ab, wie viel Entlastung die Mütter hätten. „Ich erstelle mit den Frauen einen Plan zur Selbsthilfe.“ An erster Stelle stehe zum Beispiel, ausreichend zu schlafen. Dann könne man überlegen: Was kann der Partner oder ein Angehöriger übernehmen?
Wenn eine Frau aber noch nicht einmal in der Lage sei, zu sagen, was ihr helfen könne, dann sei das ein Alarmzeichen. Weimer verweist betroffene Frauen an Psychologen oder Psychiater im Umkreis. Ein zusätzlicher Baustein im Hilfeplan können nach ihrer Aussage Schwangerenberatungsstellen sein oder Selbsthilfeinitiativen sein.
Am Psychiatrischen Zentrum Nordbaden in Wiesloch wiederum werden Frauen mit ihren Kindern sechs bis acht Wochen stationär aufgenommen, die Väter und andere wichtige Angehörige werden eingebunden. „Neben der psychotherapeutischen oder medikamentösen Behandlung der Frauen arbeiten wir besonders an der Beziehung von Mutter und Kind“, sagt Christiane Hornstein, Leiterin des Mutter-Kind-Projektes.
Wenn eine psychische Erkrankung nach der Geburt behandelt werde, stünden die Heilungschancen sehr gut, sagt Anita Riecher-Rössler, Autorin des Buches „Psychische Erkrankungen in Schwangerschaft und Stillzeit“. Oft reiche eine Psychotherapie aus, aber in schweren Fällen könnten Psychopharmaka helfen.
Frauen müssten abwägen, welche Vorteile das Abstillen habe. „Der Partner kann zum Beispiel nachts das Fläschchen geben, und die Frau kann durchschlafen, das ist gerade bei Depressionen sehr wichtig.“ Denn wenn es der Mutter besser gehe, kann sie sich dem Kind emotional eher widmen.