Wie Kinder Glücklichsein lernen
Salzburg (dpa/tmn) - Was ist Glück? Am Hundehaufen vorbeigelaufen zu sein? Ein Sechser im Lotto? Das Musterbeispiel für Glück sind die berühmten strahlenden Kinderaugen. Aber sind Kinder wirklich so glücklich?
Und wenn nicht: Können Eltern Glück anerziehen?
Kinderarmut, Scheidungsboom, Leistungsdruck in der Schule - die viel beschworene glückliche Kindheit scheint hierzulande nicht mehr selbstverständlich zu sein. Um das Wohlbefinden der Kleinen zu steigern, versuchen sich Eltern und Schulen am sogenannten Konzept der Glückserziehung. An manchen Schulen ist Glück sogar ein Unterrichtsfach. Unzählige Bücher geben ihren Lesern Ratschläge zum Glücklichwerden - für sich selbst und für die Kinder. Aber Erwachsene und Kinder haben nicht die gleiche Auffassung von Glück. Und Eltern müssen darauf achten, dass sich neben dem oft empfundenen Leistungsdruck nicht auch noch ein Glücksdruck aufbaut.
„Das Empfinden von Glück ist hochgradig subjektiv - Kinder können auch bei Tätigkeiten glücklich sein, die ein Erwachsener nur schwer nachempfinden kann“, sagt der Salzburger Religionspädagoge und Buchautor Anton Bucher. Zusammen mit dem Fernsehsender ZDF veröffentlichte er 2007 eine Studie zum Thema Kinderglück. Das Ergebnis der Befragung von mehr als 1200 Kindern zwischen 6 und 13 Jahren beruhigt: „Mehr als 80 Prozent der Kinder haben sich selbst als glücklich bezeichnet“, sagt Bucher. Wichtig seien neben Freizeit und Freunden vor allem auch die Anerkennung von den Eltern.
Für das kindliche Wohlbefinden sei in erster Linie eine gesunde Balance zwischen Fürsorge und Autonomie wichtig, sagt die Erziehungswissenschaftlerin Sabine Andresen von der Goethe-Universität in Frankfurt/Main. „Kinder wollen umsorgt werden“, sagt Andresen. „Dafür braucht es die Anwesenheit von Erwachsenen, die sich kümmern.“ In einigen Bereichen ihres Lebens wollten Kinder aber lieber selbst bestimmen, beispielsweise in der Freizeit.
Fürsorge bedeutet für Andresen nicht, mit Kindern keine Konflikte auszutragen. Es sei sogar wichtig, auch einmal zu streiten und dem Kind die Entscheidungen und Wünsche der Eltern verständlich zu machen. Viele Eltern scheuten Streit, aus Angst, dass der Nachwuchs sich schlecht fühlt. „Wir müssen diesen oberflächlichen Bildern von Glück entgegenwirken. Kinder können nicht immer nur lachen. Glücklich sein bedeutet für Kinder nicht, immer gut gelaunt zu sein, und dass es ihnen nie schlecht geht.“ Viele Lernschritte eines Kindes seien automatisch mit Konflikten verbunden, wie die Windel abzugewöhnen oder eine gesunde Ernährung.
Für den Glücksforscher Bucher ist Glück auch eine Kontrasterfahrung. Gerade nach einem traurigen Erlebnis empfinde der Mensch Glück umso intensiver. Kein psychisch gesunder Mensch könne immer glücklich sein. Trauer gehöre dazu. „Wenn Eltern meinen, ihre Kinder müssten immer glücklich sein, dann kann man schon von Zwangsbeglückung sprechen“, bringt es Bucher auf den Punkt.
Seit 2007 gibt es an der Willy-Hellpach Berufsschule in Heidelberg das Fach Glück. Der Direktor Ernst Fritz-Schubert hat dazu mehrere Bücher geschrieben. Darin heißt es etwa: „Bei der Glückserziehung geht es natürlich nicht darum, Kinder und Jugendliche zu Glücksjägern zu machen, die ständig auf der Suche nach dem nächsten Kick sind, um die Summe ihrer Glücksmomente zu maximieren.“ An anderer Stelle folgert er: „Es hilft unseren Kindern jedenfalls nicht, wenn wir ihnen alle Hindernisse aus dem Weg räumen.“ Der Mensch sei vor allem dann glücklich, wenn er eine schwierige Lebenssituationen bewältige.