Zwischen Nähe und Distanz — Partnerschaft mit einem Depressiven

Mainz (dpa/tmn) — Das Zusammenleben mit einem depressiv Erkrankten macht den Partner ratlos und schürt Ängste. Oft wird die Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Um nicht unterzugehen, dürfen Partner auf keinen Fall den Therapeuten spielen.

Eigentlich hätte alles so schön sein können. Bernd Müller (Name geändert) hatte eine leitende Position bei einem großen Versicherungsträger und führte eine glückliche Ehe. Doch plötzlich wurde er immer antriebsloser und kam morgens kaum mehr aus dem Bett. Dann wurde die Diagnose gestellt: Depression. „Ich musste ihn immer wieder antreiben, dass er aufsteht und sich ein frisches Hemd anzieht“, erzählt seine Frau Karin (Name geändert).

Es folgten etliche Jahre der ambulanten Therapie und schließlich zwei stationäre Klinikaufenthalte. Kraft schöpfte Karin Müller aus ihrem Glauben und aus dem regelmäßigen Austausch mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe für Angehörige.

Doch der Weg dorthin ist für viele weit. Denn zunächst einmal gilt es, die Krankheit als solche zu erkennen. „Oft muss man zuerst unterscheiden, ob es sich um ein normales Trauerjahr handelt oder um eine permanente Traurigkeit, die ohne fachkundige Hilfe nicht verschwindet“, erklärt Dietrich Haupt, Arzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin in Bremen.

Für die Angehörigen ist es nicht leicht zu ertragen, wenn der Partner auf einmal antriebslos wird, weder Freude empfinden noch weinen kann. „Der Depressive löst in einem das Gefühl aus, ihm helfen zu müssen, doch annehmen kann er die Hilfe nicht“, erläutert Haupt. „Das macht den Partner richtig ohnmächtig.“

Der erste Ausweg aus dem Dilemma ist eine genaue Kenntnis der Krankheit. „Der Partner muss wissen, was eine Depression ist und was sie auslöst, erst dann kann er wissen, warum der Depressive so ist, wie er ist“, erklärt Kai Uffmann, Psychologe vom Bezirkskrankenhaus in Bayreuth. Wichtig sei zudem, als Partner nicht selbst den Therapeuten zu spielen, sondern vielmehr zu versuchen, dem anderen eine alternative und realistische Sicht der Dinge aufzuzeigen.

Auch beim Gang zum Arzt oder bei der Strukturierung des Alltags kann der Partner eine wertvolle Stütze sein. „Man darf dem anderen aber auch mal sagen, wenn es einem zu viel wird, um nicht selbst in den Sog hineingezogen zu werden“, sagt der Psychologe.

Hilfe im Umgang mit dem depressiven Partner finden Angehörige sowohl bei niedergelassenen Psychotherapeuten und den Depressionsstationen an den Kliniken als auch beim Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker in Bonn (BApK).

Wie wichtig es ist, als Partner selbst Unterstützung zu bekommen, weiß auch Pfarrerin Christine Laute, die als Seelsorgerin ebenfalls am Bezirkskrankenhaus in Bayreuth arbeitet. Erst mit Hilfe von außen sei es oft möglich, die eigene Rolle zu klären und sich ein Stück weit abzugrenzen.

Doch was ist, wenn sich der Depressive weigert, zum Psychiater oder in die Klinik zu gehen? Hier sind den Angehörigen meist die Hände gebunden, denn eine Einweisung in die Klinik gegen den Willen des Betroffenen ist heute schwieriger denn je und nur möglich bei Suizidgefahr.

„Man kann den Betroffenen nicht zwingen“, erklärt Karin Müller. Das verschärfe nur die Fronten. „Wenn aber der Leidensdruck zu groß wird, dass er es nicht mehr aushält, geht er von selbst in die Klinik.“

Informationen:

Bundesverband für Angehörige psychisch Kranker (BApK) Bonn — Selbsthilfeorganisation und Solidargemeinschaft von Familien mit psychisch Kranken, Telefon: +49 228 71002400, E-Mail: bapk@psychiatrie.de

Literatur:

Daniel Hell: Welchen Sinn macht Depression? Ein integrativer Ansatz, Rowohlt, 272 Seiten, 9,99 Euro, ISBN-13: 9783499620164

Manfred Wolfersdorf: Depression. Die Krankheit bewältigen, Balance Buch, 240 Seiten, 14,95 Euro, ISBN-13: 9783867390606