Auf den Trend setzen - Welchen Nutzen Aktienstrategien haben
Mannheim (dpa/tmn) - Es geht wieder aufwärts. Zum ersten Mal seit fünf Jahren kletterte der Dax wieder über 8000 Punkte. Experten sind sich einig: Die Rallye wird sich fortsetzen. Ist das für Anleger der richtige Zeitpunkt für den Einstieg?
Mannheim (dpa/tmn) - Es geht wieder aufwärts. Zum ersten Mal seit fünf Jahren kletterte der Dax wieder über 8000 Punkte. Experten sind sich einig: Die Rallye wird sich fortsetzen. Ist das für Anleger der richtige Zeitpunkt für den Einstieg?
Es ist eine alte Börsenregel: „The trend is your friend“ - was übersetzt etwa „Der Trend ist auf deiner Seite“ heißt. Ein anderes Sprichwort rät davon ab, ins „fallende Messer zu greifen“. Die Idee hinter beiden Weisheiten ist dieselbe: Die Entwicklungen einzelner Aktien in der Vergangenheit setzen sich auch in der Zukunft fort. Doch ist das wirklich immer so? Und welchen Nutzen können Anleger aus diesem Wissen ziehen?
„Jeder will besser sein als der Markt“, sagt Prof. Martin Weber von der Universität Mannheim. „Um das zu erreichen, suchen Anleger immer nach neuen Ansatzpunkten und entwickeln neue Strategien.“ Eine dieser Strategien - die sogenannte Momentum-Strategie - leitet sich aus den beiden zitierten Weisheiten ab. „Dabei versucht man quasi, den Schwung des Moments auszunutzen“, erklärt der Wissenschaftler.
In der Praxis funktioniert das in etwa so: „Man muss einen Aktienindex, wie etwa den Dax, zunächst in gute und schlechte Aktien aufteilen“, erklärt Weber. „Die guten Aktien kauft man dann.“ Etwas komplizierter ist es bei den schlechten Aktien, denn hier wettet der Anleger auf sinkende Kurse. „Gewinne lassen sich nur mit Leerverkäufen erzielen“, sagt Weber. Das heißt: Der Anleger leiht sich die Aktien und verkauft sie, in der Hoffnung, sie zu einem späteren Zeitpunkt billiger kaufen und zurückgeben zu können.
Ein durchaus erfolgsversprechender Ansatz. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass die Momentum-Strategie tatsächlich Gewinn abwirft. So konnten etwa amerikanische Forscher in einer 1993 veröffentlichen Studie auf Renditen von bis zu 15 Prozent verweisen - ein gerade in Zeiten niedriger Zinsen traumhafter Wert. Auch in Deutschland und anderen Ländern konnten Forscher den Erfolg dieser Strategie nachweisen. Die Höhe der erzielten Rendite variierte dabei aber je nach Zeitraum und Aktienmarkt.
„Für Kleinanleger kann das allerdings riskant sein“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf. „Denn Anlagestrategien haben oft den Nachteil, dass sie nicht auf Dauer funktionieren.“ Und in der Tat: „In der Momentum-Strategie steckt ein nicht unbeträchtliches Risiko“, warnt Weber. „Es gibt hier auch Verlustphasen, sogenannte Momentum-Crashes.“ Und die sind mit bis zu 30 Prozent Minus im Monat sogar sehr deutlich spürbar.
Ein weiteres Problem: „Leerverkäufe sind für Kleinanleger in Deutschland gar nicht möglich“, sagt Weber. Zudem seien in den wissenschaftlichen Studien die Handelskosten nicht berücksichtigt worden. „Zieht man die noch ab, bleibt von der Mehr-Rendite nicht mehr so viel übrig.“
Was bringt eine solche Strategie dann privaten Anlegern also? „Wenn man diese Zusammenhänge kennt, versteht man generell besser, wie der Aktienmarkt funktioniert“, erklärt Weber. Und auch, wenn die Strategie nicht eins zu eins angewendet werden kann: „Wer sich an einer solchen Herangehensweise orientiert, ist disziplinierter“, sagt Kurz.
Denn einen gravierenden Fehler machen viele Aktienanleger immer wieder. „Sie lassen die Gewinne nicht lange genug laufen, Verluste aber schon“, sagt Kurz. Das heißt: Steigt der Aktienkurs, verkaufen Anleger die Papiere oft zu schnell. Sinkt hingegen der Kurs, bleiben die Aktien zu lange in den Depots liegen. „Eine solche Herangehensweise wie die Momentum-Strategie erzieht Anleger dazu, nicht so emotional zu handeln und damit höhere Renditen zu erzielen.“
Auch, wenn die Aktienmärkte derzeit von einem neuen Hoch zum anderen klettern - grundsätzlich sollten Anleger zunächst die nüchternen Fakten in den Blick nehmen, statt auf Trends zu setzen. Das rät Christine Bortenlänger, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Aktieninstituts (DAI) in Frankfurt. Das heißt: „Suchen Sie sich nur Unternehmen, deren Geschäftsmodell Sie auch verstehen und schauen Sie sich dann an, wie die Firma dasteht.“ Wichtige Fragen dabei: Macht das Unternehmen Gewinn? Wie steht der Konzern im Vergleich zu seinen Wettbewerbern da? Wie sind generell die Aussichten für die Branche? Wie hat sich der Kurs der Aktie in der Vergangenheit entwickelt?
Außerdem sollten Anleger immer nur so viel Geld an der Börse investieren, wie sie tatsächlich entbehren könnten. „Man muss mit Kursschwankungen schon leben können“, sagt Kurz. Zwar ist etwa der Dax nun wieder über die 8000-Punkte-Grenze gestiegen. Mittelfristig können die Kurse allerdings auch wieder nachgeben. Wer sein Geld brauche, wenn die Kurse im Keller sind, mache beim Verkauf zwangsläufig Verlust. Daher sollte auch der Anlagehorizont nicht zu kurz sein. „Fünf Jahre sollten es mindestens sein.“
Außerdem ist es wichtig, nicht alles auf eine Karte zu setzen. „Acht bis zehn verschiedene Titel sollten mindestens im Depot liegen“, sagt Bortenlänger. Denn nur wer Aktien von verschiedenen Firmen aus unterschiedlichen Branchen kauft, verringere das Risiko. Wer nicht in einzelne Titel investieren will, kann auf Fonds setzen.
Grundsätzlich können Anleger mit Aktien langfristig aber gute Erträge erzielen: „Seit 1820 haben amerikanische Aktien im durchschnitt jedes Jahr um sieben Prozent zugelegt“, sagt Weber. „Und das trotz all der Krisen und Kriege.“