Digitale Umwälzung: Buchmesse zeigt eine Branche im Wandel

Frankfurt/Main (dpa) - Die Branche steht unter Druck, einige Aussteller der Buchmesse sprechen von nervöser Stimmung. Inzwischen werden aber zunehmend neue Geschäftsmodelle entwickelt, die das Internet nicht als Bedrohung, sondern als Chance sehen.

Wachsende Marktanteile für E-Books, immer mehr Autoren als Selbstverleger, interaktives Lesen: Die digitale Umwälzung der Buchbranche beschleunigt sich. In entsprechend nervöser Stimmung begann die Frankfurter Buchmesse (10. bis 14. Oktober). Neben dem stationären Buchhandel sind auch die Verlage unter Druck, haben ihre Lernphase inzwischen weitgehend abgeschlossen und entwickeln neue Geschäftsmodelle für die Internet-Ära.

„Die Verlage sind sehr intensiv dabei, die digitale Umwälzung zu begleiten“, sagt Claudia Paul vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der zurzeit 1836 Verlage als Mitglieder führt - eine Zahl, die seit sechs Jahren annähernd stabil ist. „Sie erweitern ihre Arbeitsgebiete und verändern ihre Prozesse.“

„Es wird an allen Ecken und Enden herumprobiert“, beobachtet Ina Fuchshuber von neobooks, einer Selbstverleger-Plattform, die von der Münchener Verlagsgruppe Droemer Knaur eingerichtet wurde. In der Branche werde gefragt, inwieweit das herkömmliche Geschäftsmodell der Verlage weiter tragfähig sei. „Ein signifikantes Wachstum sehen wir ja schon seit längerem nicht mehr.“

Zweistellige Wachstumsraten melden aber die Betreiber von Plattformen für das „Self Publishing“: Dort veröffentlichen Autoren ihre Werke als gedrucktes Buch ebenso wie als E-Book. Um Lektorat und Marketing kümmern sie sich selbst. „Da sehen wir ein Kannibalisierungspotenzial für uns Verlage“, sagt Fuchshuber. Deswegen habe Droemer Knaur selbst eine Self-Publishing-Plattform aufgebaut. Zur Buchmesse wird die Testphase abgeschlossen.

„Auf der Buchmesse erleben wir eine nervöse Branche“, sagt Sönke Schulz, Geschäftsführer des Hamburger Self-Publishing-Anbieters tredition. „Die Autoren fragen Verlage, wie lange es sie noch geben wird.“ Mehr als 27 Prozent der zurzeit 1200 Autoren bei tredition seien zuvor bei herkömmlichen Verlagen gewesen.

Während Self Publishing etliche Verlage unvorbereitet trifft, ist das E-Book in der Branche inzwischen etabliert. „Für die großen Verlage gehören E-Books wie Taschenbücher und gebundene Bücher zum Tagesgeschäft, und Bestseller gibt es quasi immer als E-Book“, sagt Per Dalheimer, Geschäftsführer des bisherigen Online-Händlers Libri.de, der sich zum Start der Buchmesse in eBook.de umbenannt hat.

Insgesamt sei knapp die Hälfte der aktuellen deutschsprachigen Print-Titel auch digital verfügbar. In diesem Jahr erreiche der E-Book-Anteil am Buchumsatz in Deutschland etwa drei Prozent. Für 2013 rechnet Dalheimer mit einer Verdoppelung auf fünf bis sieben Prozent.

Angetrieben wird das E-Book-Geschäft von sinkenden Preisen für E-Reader, also jene bislang noch auf Graustufen beschränkten Lesegeräte mit der im Stromverbrauch sehr sparsamen E-Ink-Technik. Die meisten Experten sind sich einig, dass E-Reader bei Preisen von 100 Euro weiter eine Zukunft gegenüber dem digitalen Lesen auf dem Tablet-Computer haben.

Nur auf dem Tablet kann man allerdings bereits die nächste Stufe der digitalen Umwälzung erleben: Multimediale Bücher, die sich vom linearen Lesen verabschieden und dem Leser eine interaktive Nutzung anbieten. Der Carlsen-Verlag zeigt auf der Buchmesse interaktive E-Books für Kinder und Jugendliche, die gemeinsam mit dem Dortmunder Technik-Partner readbox für die mobilen Geräte von Apple entwickelt wurden.

Zum ersten Mal gehört der japanische Elektronikkonzern Sony zu den 7300 Ausstellern aus mehr als 100 Ländern auf der Frankfurter Buchmesse. „Wir haben das Popup-Buch neu erfunden“, sagt Sony-Sprecher Guido Alt. Das „Wonderbook“ verbindet ein gedrucktes Buch mit einem Datenträger für die am Fernsehgerät angeschlossene PlayStation 3. Das Buch enthält Symbole ähnlich denen der QR-Codes. Werden diese vor die PlayStation-Kamera gehalten, zeigt der Bildschirm zum Buch passende Videos oder Spiele an. Das Buch wird auch als Controler zur Steuerung des Videospiels eingesetzt. Die nächsten Titel sind schon in Vorbereitung, etwa ein Jugendbuch über Dinosaurier. „Da stapft dann ein Tyrannosaurus Rex durchs Wohnzimmer“, sagt Alt. „Mit der Technik der Augmented Reality (Erweiterte Realität) verschmelzen wir beide Welten, Buch und Software.“

Solche „Enriched Books“ werden irgendwann Standard sein, erwartet die Vorstandsvorsitzende des kalifornischen Anbieters Blurb, Eileen Gittens. Ihre Self-Publishing-Plattform bietet jetzt auch die Erstellung von E-Books im Standard Epub 3 an, der die Einbindung von Sprache und Bewegtbildern ermöglicht.

„Wir wollen mit unserem Angebot die Kunst des Autors demokratisieren“, sagte Gittens. „Bei den Verlagen wird es eine Konsolidierung geben. Kleinere Verlage, die nicht in neue Technologien investieren können, werden von größeren übernommen. Und einige werden völlig verschwinden.“ Offene Plattformen - und nicht die geschlossenen Modelle wie die von Apple oder Amazon - seien die Zukunft des Publizierens. „Und die Technik der Enriched Books wird die Leseerfahrung völlig verändern.“