Dürfen Demente Geld abheben?

Betroffene verlieren oft das Gefühl für Geld. Mit Bankvollmacht, Taktgefühl und Absprachen lässt sich alles regeln.

Hamburg. Peter Müller versteht die Welt nicht mehr. Da ist er seit ewigen Zeiten Stammkunde seiner Bank, und plötzlich zahlt ihm der Mensch am Schalter kein Geld mehr aus.

Dass er schon zum dritten Mal an diesem Tag 5000 Euro vom Konto abheben will, hat der demente Mann längst vergessen. Fiktive Fälle wie dieser können in der Realität durchaus passieren. Damit Demenzkranke weiter über eigenes Geld verfügen können, sollten sie Vertrauten Vollmachten ausstellen.

„In der Praxis geht es darum, die Menschen am Geldverkehr teilnehmen zu lassen und gleichzeitig die Verschwendung ihres Vermögens zu verhindern“, sagt Thorsten Becker, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Berufsbetreuer in Hamburg.

Trotz Erkrankung müssten die Geldgeschäfte in vollem Umfang fortgeführt werden: Miete, Heizung, Versicherungen und Friseur sind zu bezahlen, eventuelle Kredite zu bedienen. Bares für Freizeitaktivitäten oder Taschengeld für die Enkel soll ebenfalls drin sein. Experten raten deshalb zur Konto- und Depotvollmacht. Sie wird vorsorglich bei klarem Verstand erteilt.

Der einfachste Weg zur Bankvollmacht führt den Kontoinhaber und seinen Vertrauten ins Geldinstitut. Dort gibt es entsprechende Formulare, die beide unterschreiben. Es gibt eine zwischen dem Bundesjustizministerium und den Geldhäusern abgestimmte Mustervorlage, auf die die Institute zurückgreifen können. Das Ministerium hat das Formular im Internet veröffentlicht.

Die unbefristete Vollmacht gilt sofort, der Bevollmächtigte kann sie direkt nutzen. Der Kontoinhaber könne sie aber jederzeit widerrufen, solange er geschäftsfähig sei, betont Thomas Lorenz, Jurist beim Bundesverband deutscher Banken in Berlin. Aufschiebende Hinweise wie „für den Fall, dass ich vergesslich werde“ sehen Banken ungern.

Um auf Nummer sicher zu gehen, erkennen viele Institute ausschließlich eigene Vollmacht-Vorlagen an und weisen darauf in den Geschäftsbedingungen hin. „Die Vollmachten sind dann im Computer der Bank oder Sparkasse hinterlegt. Das ist ein klarer, nachvollziehbarer Vorgang und bringt Sicherheit für beide Seiten“, argumentiert Lorenz.

Steht dem Demenzkranken ein Betreuer zur Seite, kümmert dieser sich meist auch um die Finanzen. Er sollte das Geldinstitut darüber informieren. Heike Nordmann, Demenz-Expertin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, empfiehlt, zusammen mit der Bank eine Lösung zu finden, die sowohl dem dementen Menschen als auch den Schaltermitarbeitern Peinlichkeiten erspart — etwa die Ausrede „es ist gerade kein Geld da“ oder die Auszahlung von Minimalbeträgen.

Generell gilt: Auch ein unter Betreuung stehender Mensch darf weiterhin Geldgeschäfte machen. Es sei denn, ein Gericht erlaubt dies nur mit Zustimmung des Betreuers. Der sogenannte Einwilligungsvorbehalt bindet zwar das Geldinstitut.

„Aber Peter Müller geht ja weiter an den Schalter“, schildert Nordmann das Dilemma des fiktiven Falls. Einen Ausweg bietet ein Taschengeldkonto, gekoppelt an Absprachen: Bank und Betreuer vereinbaren zum Beispiel, dass Müller jeweils fünf Euro bekommt.

Vorsicht ist bei Abbuchungen geboten. Dort können vor allem Abofallen zuschnappen. Mit Hilfe des gerichtlich angeordneten Einwilligungsvorbehalts lassen sich solche Geschäfte rückgängig machen. Eine andere Möglichkeit ist ein Attest mit der Krankheitsdiagnose.

„Damit sind Kündigungen möglich“, erläutert Nordmann. Wer bei der Erteilung seiner Bankvollmacht auf Nummer sicher gehen will, setzt auf das Vier-Augen-Prinzip und dem Bevollmächtigten einen Kontrollbevollmächtigten vor die Nase. Eine Garantie vor Missbrauch gibt es nicht.