Keine Experimente - Anleger bevorzugen heimischen Aktienmarkt
Mannheim (dpa/tmn) - Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht. Dieses alte Sprichwort scheint auch für viele Anleger zu gelten. Denn viele Menschen legen ihr Geld vor allem in Märkten an, die ihnen bekannt sind.
Allerdings kann das gefährlich werden.
Bovespa, Sensex 30 oder Hang Seng - diese Börsenindizes sind vielen Anlegern in Deutschland kaum bekannt. Der Grund ist einfach: „Anleger investieren häufig überproportional in ihrem Heimatland oder in Märkte, die sie gut kennen“, sagt Prof. Martin Weber von der Universität Mannheim. In der Wissenschaft ist dieses Phänomen auch als Home Bias bekannt, was übersetzt etwa Heimatmarktneigung bedeutet. Das Problem: Diese Strategie ist riskant.
Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge greifen Aktienbesitzer hierzulande häufig zu Papieren aus Deutschland. So fanden sich laut einer Studie Ende der 1990er Jahre in den untersuchten Depots durchschnittlich 88 Prozent deutsche Aktien und nur 12 Prozent ausländische Werte. Wenn in Auslandswerten angelegt wurde, dann waren es überwiegend Papiere aus den USA oder den europäischen Nachbarländern.
Eine wichtige Erkenntnis der Studie: Die Gewichtung ausländischer Aktien in den Depots deutscher Anleger nimmt mit der Entfernung der ausländischen Gesellschaft von Deutschland ab. Das heißt: Je weiter der Markt entfernt ist, desto weniger Aktien von dort finden sich in den Depots. An diesem Phänomen habe sich bis heute nichts Grundlegendes geändert, sagt Weber.
Und warum? Offenbar folgen Anleger mit dieser Strategie unbewusst einem menschlichen Grundbedürfnis. „Wir sind alle auf der Suche nach Sicherheit“, erklärt die Finanzpsychologin Monika Müller aus Wiesbaden. Bekanntes nehme der Mensch gemeinhin als sicher wahr, Fremdes bedeute für die meisten Gefahr. „Insofern verhalten sich die Anleger eigentlich ganz natürlich.“
Ähnlich sieht das auch Marco Cabras von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Düsseldorf. „Was uns lieb und teuer ist, schätzen wir höher ein als Fremdes“, erklärt der Finanzexperte. Daher erscheine ein Wertpapier aus Deutschland sicherer als ein Wertpapier aus dem Ausland.
Das ist riskant für die Anleger. „Sie machen eigentlich einen Fehler“, sagt Weber. Denn sie konzentrieren sich zu sehr auf einen Markt. „Ein gutes Depot sollte möglichst breitgestreut sein.“ Verteilt werden sollte das Vermögen dabei nicht nur auf verschiedene Anlageklassen, sondern möglichst auch auf verschiedene Märkte.
Bekommt eine Anlageklasse oder eine Region ein Übergewicht im Depot, sprechen Experten von einem Klumpenrisiko: „Verluste auf der einen Seite können in einem einseitig aufgestellten Depot nicht mehr mit Gewinnen auf der anderen Seite ausgeglichen werden“, sagt Cabras. „Dieses Risiko blenden Anleger aber aus“, erklärt Monika Müller. Der Grund: Es wiegt für sie weit geringer als die vermeintliche Gefahr, sich in unbekannte Regionen vorzuwagen.
Ein weiteres Problem: „Anleger fühlen sich bei Investments hierzulande kompetenter“, sagt Weber. Denn ein Unternehmen, das seinen Hauptsitz in Deutschland hat, glauben viele Anleger besser einschätzen zu können, als ein Unternehmen mit Firmensitz beispielsweise in Brasilien. Doch das ist allzu oft ein Trugschluss. „Anleger überschätzen sich“, sagt Müller. „Oft sind ja auch deutsche Unternehmen weltweit tätig.“ Diese Zusammenhänge sehen viele aber nicht.
Um nicht in die psychologische Falle des Home Bias zu tappen, müssen sich Anleger selbst überlisten. „Das ist eine reine Kopfsache“, sagt Cabras. „Das Bauchgefühl muss bei der Anlageentscheidung ausgeschaltet werden.“ Damit das gelingt, sollten sich Anleger zunächst ihre eigene Risikobereitschaft bewusst machen, empfiehlt Müller. „Teilen Sie sich auf einer Skala von eins bis zehn selbst ein“, rät die Finanzpsychologin. „Das ist ein erster Schritt - daran können Sie sich dann orientieren.“
Außerdem sollten Anleger ihr Depot gezielt durchforsten: Wie ist das Vermögen aufgeteilt? Hat eine Anlageklasse ein deutliches Übergewicht? In welche Papiere wurde investiert? Sind es vor allem Werte aus der Heimat? Ungleichgewichte sollten beseitigt werden. Denn wer das Geld etwa über Renten, Rohstoffe und Aktien weltweit verteilt, könne auf lange Sicht profitieren, sagt Weber. „Mit einer solchen Verteilung kommt man meist gut weg.“
Allerdings ist Vertrauen in den Heimatmarkt nicht grundsätzlich schlecht: „Bei Immobilien ist das durchaus sinnvoll“, gibt Cabras zu bedenken. Denn hier komme es darauf an, die Bedingungen und auch das Objekt selbst gut einschätzen zu können. „Und das kann man am besten, wenn man es sich in seiner Heimatstadt auch anschauen kann.“