Schmuck gegen Geld - Pfandleihhäuser gegen knappe Kasse
Ulm (dpa) - Ist das Konto leer, können Pfandleihhäuser kurzfristig Abhilfe schaffen. Die Kreditinstitute gewähren für viele Gegenstände Bares, aber längst nicht für alles - wie ein Beispiel aus Ulm zeigt.
Nicht alle Kunden, die an diesem Morgen das Pfandleihhaus in Ulm betreten, sind sich ihrer Sache sicher. So wie eine blonde Frau, die zögernd an den mit Panzerglas gesicherten Schalter geht. Schmuck möchte sie verpfänden lassen und dabei nicht erkannt werden. Sie braucht Geld für ihre Kinder, die auf Klassenfahrt gehen - rund 700 Euro. Es ist ihr sichtlich unangenehm, die goldenen Kostbarkeiten in Geld umzutauschen.
Die Geschäftsführerin des Ulmer Pfandkredit-Instituts versteht die Frau nur zu gut: „Für viele ist es nicht einfach, spontan mehrere Hundert Euro für eine Klassenfahrt zu stemmen“, sagt Susanne Rothfuß-Wamsler, „oft sind wir der letzte Ausweg.“ Denn Bares gebe es im Pfandleihhaus innerhalb weniger Minuten. Mit Personalausweis, aber ohne Nachweis der Kreditwürdigkeit oder unangenehme Fragen. „Vom Studenten bis zum Unternehmer kommen alle zu uns“, sagt die Geschäftsfrau. Etwa 50 Kunden sind es am Tag, die allerlei Gegenstände anbieten, um sie kurzfristig zu Geld zu machen.
Die Regale im Aufbewahrungskeller sind voll. Vom Hochdruckreiniger über einen riesigen Teddybären bis hin zu einem Saxofon - allerhand Gegenstände stapeln sich sorgfältig verpackt bis unter die Decke. Als Pfand geben die meisten Kunden jedoch Schmuck. „Der macht etwa 95 Prozent aus“, weiß Geschäftsführer Gunnar Wamsler.
Längst lässt sich im Ulmer Pfandleihhaus nicht alles versetzen. Elektrogeräte wie etwa Handys, Computer oder Fernseher nehmen die beiden Geschäftsführer gar nicht erst an. „Das sind schnelllebige Produkte, deren Wert viel zu unbeständig ist“, erklärt Wamsler. „Sogar ein Rennpferd und eine Jacht wurden uns schon angeboten“, erinnert sich der Geschäftsmann lachend. Beides sei freundlich abgelehnt worden.
Ähnlich verfahre man etwa mit Pelzmänteln oder Teppichen, bei denen der Wert nur schwer feststellbar sei. Dagegen finden sich teure Bohrmaschinen, Kochtöpfe oder Modelleisenbahnen im Aufbewahrungskeller. „Es sind alles Sachen, die wir leicht wieder versteigern können“, sagt Susanne Rothfuß-Wamsler. Denn was nicht abgeholt wird, kommt unter den Hammer.
Drei Monate läuft ein Pfandkredit üblicherweise. Werden beliehene Sachen weder verlängert noch abgeholt, kommen sie nach einer Karenzzeit von einem Monat zur Versteigerung. Bis zu acht Mal im Jahr werden die nicht eingelösten Gegenstände meistbietend verkauft. Pro Monat fallen für Pfandstücke ein Prozent Zins an und Gebühren, die gesetzlich festgelegt sind. Ist ein Gegenstand 300 Euro wert, so fallen monatlich 3 Euro Zinsen und 6,50 Euro Gebühren an.
Die Wertsachen können jederzeit wieder ausgelöst werden. Etwa neun von zehn Kunden in Ulm holen sie wieder ab. Das gilt nicht nur für das Haus in der Donaustadt, sondern entspricht auch dem bundesweiten Trend. Im vergangenen Jahr haben nach Angaben des Zentralverbands des Deutschen Pfandkreditgewerbes 89,7 Prozent ihre Gegenstände wieder abgeholt. „Seit Jahrzehnten ist diese Zahl konstant“, sagt der Verbands-Vorsitzende Joachim Struck.
Der Verband vertritt die Interessen von rund 200 privaten Betrieben in ganz Deutschland, die im vergangenen Jahr rund 1,86 Millionen Kredite gewährt und 635 Millionen Euro ausgegeben haben. Ein Großteil davon in Westdeutschland. „Im Osten gibt es nur wenig Wertgegenstände und damit nur wenige Pfandleihhäuser“, sagt Struck. Nach der Wende sei viel Geld etwa in Unterhaltungselektronik gesteckt worden.
Im Ulmer Pfandleihhaus kommt ein Ehepaar an den Schalter. Es möchte Goldketten und Ringe auslösen, die sie vor einigen Wochen verpfänden haben lassen. „Es ist der Schmuck meiner Frau“, sagt der 45 Jahre alte Mann, der seinen Namen nicht nennen möchte. Hochzeitsgeschenke seien es gewesen. „Normalerweise ist es schandhaft, solchen Schmuck zu verpfänden. Aber was tun, wenn man nicht anders kann und dringend Geld braucht?“, fragt er.
Seine 35-jährige Frau ist sichtlich erleichtert, den glänzenden Schmuck wieder in ihren Händen zu halten: „Ich will ihn irgendwann an meine Kinder weitergeben“. „Endlich lacht sie wieder“, sagt ihr Ehemann und fügt hinzu: „Ich bin froh, dass es das Pfandhaus gibt und der Schmuck wieder da ist. Sonst wäre er wohl versteigert worden.“