Über den Hauskauf darf nicht der Zins entscheiden
Stuttgart (dpa/tmn) - Wunderschönes Haus, perfekte Lage, genug Geld auf der hohen Kante - das sind die Faktoren, die über einen Immobilienkauf entscheiden sollten. Ein niedriger Zins hat nicht das Sagen über das Ob, sondern höchstens über das Wie.
Für hohe Kredite sind die Zeiten günstig. Experten warnen aber davor, sich vom niedrigen Zins zum überstürzten Hauskauf verleiten zu lassen. „Kaufen Sie das Objekt dann, wenn Sie das richtige Objekt gefunden haben, und schielen Sie im Zweifel nicht auf den Zinssatz“, rät Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. „Man legt sich ja auch für viele Jahre fest.“ Der Bedarf entscheide über den Kaufzeitpunkt.
Der Zinssatz dürfe nur darüber entscheiden, wie der Käufer die Finanzierung stemmt. Dabei laute die einfache Formel: je niedriger der Zins, umso höher das Kaufbudget. „Man kann sich quasi höhere Schulden aufbürden, weil die Schulden ja billiger sind“, erklärt der Experte.
Bausparkassen, Banken, Immobilienmakler - „Alle, die mit dem Immobiliengeschäft ihr Geld verdienen, die machen Stimmung mit diesen niedrigen Zinsen, um ihr Geschäft anzukurbeln“, sagt Nauhauser. Bei Slogans wie „Jetzt kann sich fast jeder sein Eigenheim leisten“ oder „Mieter schmeißen ihr Geld zum Fenster raus“ rät er zur Vorsicht. „Da muss man die Eigeninteressen dieser Anbieter sehen.“
Der Käufer müsse entscheiden: Will er den Vorteil des niedrigeren Zinses lieber in höheren Tilgungssätzen ausleben oder lieber in günstigeren Raten? Höhere Tilgungssätze machen ihn schneller schuldenfrei. „Es ist sinnvoll, nicht erst bei Renteneintritt schuldenfrei zu sein, sondern früher“, sagt Nauhauser. So könne der Hausbesitzer später Rücklagen bilden, um Instandhaltungskosten im Rentenalter aus eigenen Mitteln finanzieren zu können.
Die Raten herabzusetzen, biete sich dagegen an, wenn der Käufer das Häuschen ohnehin locker mit 55 Jahren abbezahlt hat. „Wenn man also jetzt einfach eine geringere Rate haben möchte, weil man eben das Leben noch genießen möchte bis dahin, dann müsste man nicht unbedingt den Tilgungsturbo einschalten“, so Nauhauser. Gefährlich sei es, die Raten herabzusetzen, ohne sich dieser Konsequenzen bewusst zu sein.
Im schlimmsten Fall wirken sich die niedrigen Zinsen laut Nauhauser auf den deutschen Immobilienmarkt so aus wie einst auf den amerikanischen: Die günstigen Konditionen erhöhen die Nachfrage nach Häusern, die wiederum die Immobilienpreise steigen lässt. „Aber ist das ein nachhaltiger Preisanstieg, oder ist das ein Strohfeuer? Das weiß man eben nicht“, warnt Nauhauser. Die Gefahr, dass wie in Amerika der gesamte Markt zusammenbricht, sei in Deutschland aber geringer. Denn deutsche Banken vergeben nicht so leicht Kredite.
„Klar ist es auf den ersten Blick günstiger, das jetzt zu finanzieren“, sagt Nauhauser. „Aber wenn der Bedarf ist, das Geld in Sicherheit zu bringen, dann ist das Eigenheim nicht die erste Alternative dafür.“ Sicherer und rentabler mache der niedrige Zins einen Hauskauf eben nicht. „Immobilieninvestments sind einfach nicht ohne Risiko.“