Was Nachbarn bei häuslicher Gewalt tun können
Mainz/Berlin (dpa/tmn) - Was kann man tun, wenn die Frau von nebenan ständig blaue Flecken hat? Wie kann man helfen, wenn ihr Mann sie offensichtlich schlägt? Bei häuslicher Gewalt fühlen sich Nachbarn oft hilflos.
Dass sie überhaupt etwas unternehmen, ist das Wichtigste.
Man würde gerne weghören, aber das geht nicht. Plötzlich sind sie wieder da, die Schreie aus der Wohnung nebenan. Er muss sie schlagen - was sollen das sonst für Geräusche sein? Da ist dieses ungute Gefühl, man müsse vielleicht etwas tun. Gleichzeitig fühlt man sich hilflos und hat Angst. Nicht wegzuschauen ist allerdings der erste wichtige Schritt, um dem Opfer zu helfen.
„Es ist besser, einmal mehr einzugreifen, als einmal zu wenig“, sagt Helmut Rüster vom Weissen Ring. Der Verein aus Mainz unterstützt Opfer von Gewalt und deren Familien. „Viele Leute helfen nicht, weil sie Angst haben, sich zu blamieren. Sie denken: Wie stehe ich da, wenn da überhaupt nichts dran ist?“ Das führt oft dazu, dass gar nichts passiert.
Grundsätzlich gilt immer: Wenn ein Nachbar das Gefühl hat, dass eine unmittelbare Gefahrensituation für Frau oder Kind besteht, sollte er die Polizei rufen, empfiehlt Paula Honkanen-Schoberth. „Sie hat die Autorität, eine Eskalation schnell zu beenden“, erläutert die Geschäftsführerin des Deutschen Kinderschutzbundes. Ein Anruf bei der Polizei kann zwar helfen - muss aber nicht, urteilt Rüster. „Wenn die Polizei in der augenblicklichen Situation nichts feststellt und wieder wegfährt, kann ich mir natürlich nicht einfach sagen, ich habe ja alles getan.“ Deshalb sei es wichtig, die Situation im Haus weiter zu beobachten.
Hat die Frau oft blaue Flecken, ohne dass die Nachbarn direkt etwas von den Schlägen mitbekommen, können sie auf den Täter zugehen und sagen: „Ich höre, dass es oft Krach gibt. Das kommt in allen Familien vor, bleiben Sie nicht alleine damit, suchen Sie Hilfe“, erklärt Honkanen-Schoberth. Das setzt jedoch voraus, dass die Nachbarn den Täter kennen und einen Zugang zu ihm haben.
In manchen Wohngebieten sind sich die Nachbarn allerdings komplett fremd. Dann kann es sinnvoll sein, mit dem Opfer Kontakt aufzunehmen. „Hat man zum Beispiel selbst Kinder, bietet sich der Spielplatz für ein Gespräch an“, erklärt Honkanen-Schoberth. Genauso kann man die Frau im Waschkeller ansprechen. „Als Nachbar kann ich der Betroffenen zum Beispiel die Adresse einer Beratungsstelle oder eines Frauenhauses geben, in dem sie Hilfe bekommt.“
Eine Patentlösung für den Umgang mit häuslicher Gewalt gibt es für Nachbarn allerdings nicht. „Wenn jede Hilfe wie am Reißbrett machbar wäre, würde sicherlich weniger passieren“, sagt Rüster. Am schlimmsten ist es aber, wenn überhaupt nichts passiert.