Als Cholesterinbombe geschmähtes Ei wird rehabilitiert
München (dpa) - Cholesterin, Kalorien, Dioxin - und dann Salmonellen. Klingt nicht gerade gesund. Das Ei, früher geschätzt als Alternative zum teuren Fleisch, ist in Verruf gekommen. Nur selten und fast als Delikatesse sollte man es verzehren, wird oft geraten.
Gute Nachricht zu Ostern: Eier sind besser als ihr Ruf. Sie enthalten wichtige Vitamine, Mineralstoffe, Jod, hochwertiges Eiweiß und Lecithin, das die Gedächtnisleistung verbessert und die Nerven stärkt.
„Eier sind ja der Nährstoffvorrat für das neugeborene Küken. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, dass sie sehr viele gute Nährstoffe beinhalten“, sagt Professor Berthold Koletzko. Er leitet die Abteilung Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Universität München.
Die stets zitierte Warnung vor dem Cholesteringehalt scheint ein wenig wie die Mär vom gesunden Spinat. „Die Rolle des Hühnereies für den Cholesterin-Stoffwechsel wird überschätzt“, sagt Koletzko. „Viel wichtiger ist es, ob wir Eier in ungesättigtem Fett aus Pflanzenöl oder in gesättigtem Fett zum Beispiel aus Schmalz braten, wodurch das Cholesterin im Blut viel stärker ansteigt.“ Ablagerungen in Blutgefäßen können zu Herzinfarkt und Schlaganfall führen.
Ein Hühnerei hat etwa 400 Milligramm Cholesterin. „Das hört sich viel an“ sagt Koletzko. Doch nur die Hälfte wird aufgenommen. Den Großteil des in Blutgefäßen abgelagerten Cholesterins produziert der Körper selbst. „Von allem Cholesterin, das wir in den Blutgefäßen ablagern, sind zwei Drittel hausgemacht. Nur ein Drittel kommt aus der Nahrung.“ Und nicht nur aus dem Ei. Butter, Fleisch und Wurst erhöhen durch ihre gesättigten Fette das Cholesterin weit stärker.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt einen maßvollen Konsum von zwei bis drei Eiern in der Woche. Das beinhalte auch verarbeitetes Ei in Lebensmitteln wie Mayonnaise, Nudeln, Suppen, Soßen und Backwaren, erläutert Silke Restemeyer von der DGE. Was frühere Bedenken wegen Cholesterin betrifft, sagt aber auch sie: „Das Thema Ei steht hier ein bisschen auf dem Prüfstand.“
Koletzko geht je nach Ernährungsstil davon aus, dass auch zwei Eier am Tag nicht zu viel sind. „Und zu Ostern dürfen es auch drei sein.“ Bei den im Handel erhältlichen Eierfarben sieht er keine Probleme. Aber: „Ich würde sie nicht gerade im Internet aus China bestellen.“
Warum bunte Eier zu Ostern gehören, dafür gibt es mehrere Erklärungen. Im östlichen Christentum galt das Ei als Zeichen für die Auferstehung, Rot als Symbol für das Blut Christi. Jenseits davon wird das Ei als Fruchtbarkeitssymbol gesehen. Auch das Dekorieren hat Geschichte: In Jahrtausende alten Gräbern wurden etwa in Ägypten verzierte Eier entdeckt; in Afrika wurden Straußeneier gefunden.
Inzwischen stehen Eier für manchen eher für Lebensmittelskandale, wie die Salmonellen-Affäre um die niederbayerische Firma Bayern-Ei. Dutzende Menschen erkrankten, ein Mann starb. Die Staatsanwaltschaft geht von gewerbsmäßigen Betrug und einem Millionen-Schaden aus.
Jahre zuvor war in Eiern als krebserregend geltendes Dioxin entdeckt worden. Grund war gepanschtes Billigfutter. Selbst Bio-Konsumenten sind nicht ganz gefeit. Dioxine entstehen bei Verbrennung und lagern sich auch in Böden ab. Pickt das Huhn Körner, kann es auch Dioxin aufnehmen. Dasselbe gelte für Salmonellen-Erreger, argumentieren konventionelle Hühnerhalter. Eier aus dem Stall seien hygienischer.
Forscher der Technischen Universität München haben aber festgestellt: Hennen und Eier vom Biohof sind nicht keimbelasteter als jene aus konventionellen Betrieben. In Ökohaltung gefundene Bakterienstämme sind seltener resistent gegen Antibiotika. „Und das ist für den Verbraucher ein klarer Gesundheitsvorteil“, betonten die Forscher.
Zu Ostern mag niemand an all die Skandale und Belastungen denken. Der Eierkonsum steigt. Würden im Schnitt pro Kopf monatlich geschätzt etwa neun bis zehn Eier im Laden gekauft, seien es im Ostermonat etwa elf bis zwölf, sagt Margit Beck vom Brancheninformationsdienst Marktinfo Eier und Geflügel (MEG). „Die Versorgungslage der europäischen Eiermärkte ist so gut, dass wir den Mehrkonsum locker decken können“, so die Marktanalystin. Nach Ostern sinken erfahrungsgemäß die Preise. Der Verbraucher hat Eier erst mal satt.
Dabei sind Hühnereier ohnehin der geringere Bestandteil in deutschen Osternestern. Dort liegen Marzipan-, Nougat und Krokanteier. Bestimmt nicht gesund. Ernährungsexperten sprechen aber nicht Verbote aus. Naschkatzen sollten moderat genießen. Koletzko: „Auch da macht es die Dosis.“ Wer bei Schokolade auf die Gesundheit achten will, greift zu dunklen Sorten: Kakao wirkt antioxidativ, soll das Rückfallrisiko nach einem Herzinfarkt mindern und die Gefäßfunktion verbessern.
Aber: Gerade in der Bitterschokolade wurde das Schwermetall Cadmium entdeckt. Gesundheitsschädliche Mineralöle fanden sich in Schokolade aus Adventskalendern. Die bittersüße Erkenntnis: Unbedachtes Essen kann überall Gefahren bergen. Und das nicht nur zu Ostern.