Alte Tradition: Jetzt ist Zeit fürs Fastenbier
Essen (dpa) - Am Aschermittwoch ist nicht alles vorbei - für manchen Bierkenner fängt da die Freude erst an. Denn was Mönche im Mittelalter in der Fastenzeit als Ersatz für feste Nahrung nutzten, wird auch heute noch gebraut.
Der dunkle Malztrunk spritzt nicht beim ersten Versuch. Noch einmal muss Wolfgang Vössing den Schlegel ansetzen, ausholen und auf den Fasshahn schlagen. „O'zapft is“, ruft einer vorlaut aus dem Publikum. Dabei sitzen sie an diesem Aschermittwoch gar nicht irgendwo in Bayern, sondern in der „Dampfe“, dem traditionsreichen Borbecker Brauhaus in Essen. Bierliebhaber Vössing sticht hier das Fass an für eine besondere Spezialität - das Fastenbier. 10 000 Liter des nahrhaft-süffigen Malztrunks will Borbecker in den nächsten sieben Wochen ausschenken.
Fastenbier ist Flüssignahrung mit Tradition. Das Rezept reiche bis ins frühe Mittelalter zurück, sagt Brauhaus-Geschäftsführer Martin Grahl. Mönche entwickelten es, wie Kirchenhistoriker Prof. Manfred Becker-Huberti zu erzählen weiß. Jedes Kloster hatte früher eine angeschlossene Brauerei. Die Mönche tranken am Tag einen Liter ihres selbst aufgesetzten Dünnbiers, um gesund zu bleiben. Dass abgekochtes Wasser ebenfalls keine Keime enthält und eine Alternative gewesen wäre, wussten sie nicht.
Doch in der entbehrungsreichen Fastenzeit reichte das Dünnbier nicht, erklärt Becker-Huberti: „Die Schlafsäle waren ungeheizt. Die Mönche mussten sich ihre Speckschicht erhalten, bis die kalte Jahreszeit vorbei war.“ Also brauten sie sich „flüssiges Brot“ - denn „Flüssiges bricht Fasten nicht“, lautete damals ein geflügeltes Wort. Mit ihrem nahrhaften Spezialbier retteten sich die Mönche über die mageren Wochen bis Ostern.
Sie stellten ein Starkbier her, so, wie es Traditionsbrauereien noch heute nachahmen. Fastenbier wird länger eingebraut als andere Sorten, sagt Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund in Berlin. Die Spezialität hat einen höheren Zuckergehalt. Bei der Vergärung wandelt die Hefe den gelösten Zucker in Alkohol. Mit 5,8 Prozent hat das Borbecker Fastenbier sogar noch „relativ wenige Umdrehungen“ wie Liebhaber Vössing zu berichten weiß - andere Starkbiere enthalten bis zu 11 Prozent Alkohol.
Nur wenige Brauereien außerhalb Süddeutschlands halten die Klosterbier-Tradition aufrecht. Für die Mönche war das Gebräu unverzichtbar, heute genehmigen sich Kenner das Bier, das auch gegen Gewissensbisse hilft: „Man kann den Wortlaut eines Gesetzes einhalten, aber mit seinem Geist brechen“, meint Becker-Huberti.