Arzt-Diagnose: Besser eine zweite Meinung hören
In einigen Fällen ist eine zweite Arzt-Diagnose sinnvoll. So kann man riskante Behandlungen vermeiden.
Bielefeld. Das Gefühl kennen viele Patienten: Das Gespräch mit dem Arzt hat sie verunsichert - weil die vorgeschlagene Behandlung riskant ist, von der gesetzlichen Krankenkasse nicht bezahlt wird oder weil die Diagnose das ganze Leben verändert. Viele Menschen wollen in solch einem Fall die Meinung eines zweiten Arztes hören.
Judith Storf ist seit vielen Jahren Beraterin bei der Unabhängigen Patientenberatung in Bielefeld. Sie erlebt häufig, dass Patienten sich vom ersten Arzt noch nicht richtig über Therapiemöglichkeiten aufgeklärt fühlen oder die Diagnose überprüfen lassen wollen. Manchmal berichteten Patienten auch, dass der Arzt selbst ihnen zum Einholen einer Zweitmeinung geraten habe.
Auch die Bundesärztekammer befürwortet grundsätzlich das Prinzip der zweiten Meinung. "Wenn man sich beispielsweise bei Geldanlagen schon zwei- oder sogar dreimal beraten lässt, dann sollte man, wenn es um die eigene Gesundheit geht, das erst recht tun", sagt Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe.
Vor allem bei Diagnosen, die für das weitere Leben große Bedeutung haben, sei die Zweitmeinung angebracht: nicht nur bei Tumoren, sondern auch bei degenerativen Erkrankungen - also solchen, die die eigene Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigen können.
"Ein Arzt, der beleidigt ist, wenn er mit einer Zweitmeinung konfrontiert wird, sollte sich noch einmal gut überlegen, warum er Arzt ist", sagt Hoppe. Patienten müssen sich daher nicht scheuen, eine zweite Meinung einzuholen. Am besten sagen sie ihrem Arzt, dass sie gerne - ohne das Vertrauen oder seine Kompetenz in Zweifel zu ziehen - eine zweite Meinung hören möchten.
Patientenberaterin Storf schlägt vor, das Anliegen positiv zu formulieren: "Toll, dass Sie das alles herausbekommen haben. Aber ich bin ein bisschen unsicher und habe noch Angst. Deswegen würde ich gerne einen Kollegen aufsuchen."
Die sogenannte Patienten-Dokumentation, also alles, was der Arzt aufschreibt, gehört auch dem Arzt - zumindest die Originale. Aber der Patient hat laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein Recht darauf, diese Dokumentation als Fotokopie zu bekommen.
Bei Röntgenbildern sei es schon schwieriger, schränkt Dörte Elß von der Verbraucherzentrale Berlin ein: Nach der Röntgenverordnung muss jeder Arzt die Bilder für zehn Jahre behalten. Wenn er die Originale nicht herausgibt, könnten die Patienten bitten, die Bilder gegen Quittung zu leihen. "Ansonsten haben Sie auf jeden Fall Anspruch auf eine Kopie - die müssen Sie allerdings selber zahlen."
Von Suchmaschinen im Internet, die einen zweiten Arzt ausspucken sollen, rät Judith Storf ab: "Die Qualität und Seriosität dieser Maschinen tendieren gegen Null."
Besser sei eine unabhängige Beratung in der Region. "Die hat den Vorteil, dass sie einen guten Überblick über das Ärzteangebot hat. Und auch wenn sie keinen Arzt empfehlen kann, kann sie doch mehrere Varianten aufzeigen." Wer unsicher ist, kann sich auch an seine Krankenkasse wenden. Viele Kassen bieten Hilfe durch Spezialisten in Hotlines oder Sprechstunden an.
In diesem Fall hilft nur eins: zu überlegen, was für die eigenen Interessen vernünftiger erscheint. Hat vielleicht ein Arzt ein finanzielles Interesse an einer bestimmten Behandlungsmethode? Gibt es für diesen Fall medizinisch anerkannte Standardbehandlungen? Und dann heißt es: entscheiden.
"Das ist die Kehrseite des mündigen Patienten", sagt Verbraucherschützerin Elß. "Wenn Sie alle Informationen beisammen haben, müssen Sie Ihre Entscheidung treffen." Nur aus Pflichtgefühl dem einen Arzt gegenüber zu handeln, ist hierbei nicht ratsam.