Keine Narben nach der Operation
Mit einer neuen Methode werden große Schnitte vermieden. Sie wird bei Blinddarm-OPs verwendet.
Düsseldorf. Weniger Schnitte, weniger Narben: Die Weiterentwicklung der Knopfloch-Chirurgie (minimal-invasiv oder endoskopisch) ist in aller Munde. Operationen an inneren Organen können heute mit nur einem einzigen oder sogar ganz ohne Bauch-Schnitt durchgeführt werden. Das Verfahren ganz ohne Schnitt heißt "Notes", eine englische Abkürzung für "Natural Orifice Transluminal Endoscopic Surgery". Operiert wird durch natürliche Körperöffnungen wie Vagina, Darm, Harnröhre oder Mund.
Ein weiterer Zugang über den Bauchnabel ist aber in der Regel nötig, um zusätzliche Instrumente einzuführen, vor allem eine Minikamera - wichtig, um den eigentlichen Bauchzugang etwa durch das hintere Scheidengewölbe vor Augen zu haben. Die Vorteile: Keine Narben, weniger Verletzungen, schnellere Heilung, kürzere Klinikaufenthalte. Die Nachteile: Der Arzt muss Umwege zum Organ in Kauf nehmen und eine gesunde, intakte Magen- oder Scheidenwand öffnen. Das birgt die Gefahr einer Bauchfellentzündung oder Rektumverletzung.
"Notes" wird vor allem bei Operationen an Gallenblase oder Blinddarm praktiziert. Viele Patienten entscheiden sich für einen narbenlosen Eingriff. Doch Experten warnen vor einer Überschätzung der neuen Technik. "Der kosmetische Aspekt sollte nicht im Vordergrund stehen", sagt Professor Hans-Joachim Meyer, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Solingen und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV). (Viszeralchirurgie ist die Bauchchirurgie, abgeleitet von Viscera, Eingeweide).
"Wissenschaftlich ist ,Notes’ noch absolut in einer experimentellen Phase. Die Arbeit erfordert ein sehr aufwändiges Training und ein besonderes Material." Verwertbare Studien gebe es kaum. Deshalb hat die DGAV ein nationales Notes-Register zur Dokumentation der neuen chirurgischen Operationstechnik eingerichtet. Nach britischem Vorbild wird darin erfasst, wann, wo und wie oft das neue Verfahren angewendet wird, eine "Begleitung innovativer Technik", sagt Meyer. Pflicht ist das allerdings nicht: Die operierenden Ärzte melden sich freiwillig.
Vertretbar sei "Notes" bei Gallenblasen- und Blinddarm-Operationen, auch bei Eingriffen an der Gebärmutter durch die Vagina. "Solch einen transvaginalen Zugang kennt man seit 1952, das ist kein Problem. Aber eine Dickdarm-Eröffnung bei Männern für eine Operation in der Bauchhöhle - das ist viel zu riskant." Auch für die Behandlung von Krebserkrankungen im Bauchraum empfiehlt er das narbenfreie Verfahren nicht.
Wie sehr sich aber insgesamt die minimal-invasiven Eingriffe weiterentwickeln, haben gerade zwei Universitätskliniken gezeigt: In Münster wurde einem Patienten mit einem einzigen Schnitt eine Niere entfernt, in Düsseldorf einem 72-jährigen Patienten mit nur einem Bauch-Schnitt die Prostata. Beides gelang nach Uni-Angaben weltweit zum ersten Mal.
Üblich sind sonst drei bis fünf Schnitte. Die Ärzte setzten bei der Ein-Schnitt-Premiere neu entwickelte Instrumente ein, so genannte "Single-Port-Instrumente", die durch einen Zugang ("Single Port") durch die Bauchdecke geführt werden können. Spezialität in Münster: Der Zugang erfolgt nicht über den Bauchnabel, sondern über die Flanke, der Patient liegt also auf der Seite. Damit mache man seit fünf Jahren gute Erfahrungen, sagt Oberarzt Dr. Christian Wülfing. Die minimal-invasive Methode eigne sich jedoch nur für Nierentumore, die kleiner als fünf Zentimeter und auf die Niere beschränkt sind.
Auch in Düsseldorf ist das Single-Port-Verfahren noch keine Routine. Der Eingriff dauert mehr als doppelt so lange wie das klassische Verfahren. Geklärt werden muss auch, ob die langfristigen Ergebnisse der "Less" genannten Methode (Laparo Endoscopic Single Site) dem bisherigen Standard ebenbürtig sind.
"Die Chirurgie ist auf dem Weg zur narbenlosen Bauchoperation ein großes Stück vorangekommen", sagt Prof. Martin Büsing, Chefchirurg des Knappschaftskrankenhauses Recklinghausen. Sein Team nutzte im Dezember 2008 den transvaginalen Zugang (plus Bauchnabel-Zugang) zum ersten Mal für eine Magen-Teilentfernung, laut Büsing die erste OP dieser Art in Europa.