Auf Händen durchs Wasser getragen: Aquabalancing

Berlin/Herdecke (dpa/tmn) - Schwerelos im Wasser treiben - das ist pure Entspannung für Körper, Geist und Seele. Sich dabei nicht einmal ums Untergehen sorgen zu müssen, klingt traumhaft. Beim Aquabalancing passiert genau das.

Das Urelement Wasser ist aus der Wellnesswelt nicht mehr wegzudenken. Ob beruhigendes Plätschern, angenehme Erfrischung oder einfach nur ein gründliches Reinheitsgefühl - der Wohlfühlfaktor im kühlen Nass ist garantiert. Beim Aquabalancing folgt der körperlichen Entspannung bis zur letzten Muskelfaser eine seelische Auszeit. Auf Händen des Trainers gleitet der Körper durch die warmen Wogen.

Über das Wellnesserlebnis hinaus können diese Effekte auch gesundheitlich nützen. So wird die alternativmedizinische Wassermethode auch in der Psycho- und Schmerztherapie angewandt. „Es geht wirklich sehr stark in die Tiefe, manchmal kann es sogar das Unterbewusstsein treffen“, sagt Brita Karnahl vom Aqua-Fitness-Verband Deutschland in Berlin. Beim rhythmischen Schaukeln wie ein Schiff auf den Wellen lockern sich erst die Muskeln und anschließend wird der Kopf frei. Dass dies nicht nur Einbildung ist, erklärt die Sportwissenschaftlerin so: „Verkrampfungen bei Patienten können sich lösen, weil im Wasser die Muskelspannung sinkt.“ Wissenschaftler vermuteten, dass sich dabei auch die Wirkung von Stresshormonen verringere.

Ob als Wellnessanwendung oder alternativmedizinische Behandlung - die Wassertemperatur beim Aquabalancing sollte immer etwa bei angenehmen 36 Grad Celsius liegen. So kühlt der Körper, der sich selbst kaum bewegt, nicht so schnell aus. Die auch „Waterbalancing“ genannte Methode ist für Schwangere und Menschen mit Gelenkbeschwerden ideal, denn das zu tragende Körpergewicht ist im Wasser viel geringer als auf festem Boden.

Mit Aquabalancing können neben Verspannungen auch Rheuma und Arthrose behandelt werden. Es wird auch bei Schlafstörungen sowie Angst- und Stresszuständen und zur Rehabilitation nach Unfällen eingesetzt. Skeptische Neulinge werden überrascht sein, wie sehr ihnen der schaukelnde Schwebezustand gefällt - schließlich ist es die gewohnte Umgebung des Ungeborenen im Mutterleib.

Vertrauen zum Therapeuten ist nötig, um mental abtauchen zu können. „Es ist eine sehr nahe, fast intime Angelegenheit“, erklärt Sibylle Schütz. Die Münchnerin bietet Kurse in „Watsu“ an - einer dem Aquabalancing ähnlichen Form, die Elemente der japanischen Fingerdruckmassage Shiatsu einbezieht. Um Vertrauen aufzubauen, nutzt sie anfangs Auftriebsmittel wie eine Poolnudel, um körperliche Berührungen gering zu halten. Während einer ersten Phase bewegt sie den Körper durch das Wasser und massiert bestimmte Körperregionen. Bei den anschließenden Dehnungen und Streckungen gebe es dynamische und stille Momente.

Schütz ist eine sogenannte Watsu-Praktizierende, die ihre Ausbildung beim Institut für Aquatische Körperarbeit (IAKA) absolviert hat. Die mittlerweile etablierte Qualifikation beinhaltet die Trainingsmethode mit der minimalen Kraftanstrengung für den Therapeuten und im Atemrhythmus mit dem Patienten. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für die Kurse in der Regel noch nicht.

Dafür setzt sich die Allgemeinmedizinerin Karla Caspers ein, die unter anderem Watsu für Patienten der Schmerzambulanz im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke anbietet. „Ich erlebe mit Schwerkranken oft beeindruckende Entwicklungen an geistiger und körperlicher Beweglichkeit.“ Ihre Erkenntnisse fasst sie in ihrer laufenden Dissertation „Aquatische Körperarbeit und Schmerz“ zusammen.

Viele der bis zu 200 an der Studie teilnehmenden Patienten berichteten demzufolge über mehr Stabilität in ihrem Leben - auch über die Stunden im Wasser hinaus. „Wir nehmen an, dass dies durch ein sich wieder entwickelndes Bewusstsein für den eigenen Körper zu erklären ist“, sagt Caspers. Ob aber das neu gewonnene Wohlbefinden für die Patienten zum Dauerzustand werden könne, hänge vor allem von ihrer Disziplin ab.

Vor einem warnt Karnahl aber eindringlich: Patienten mit Herzinsuffizienz sollten vorher unbedingt ärztlichen Rat einholen. Das Herz müsse durch den Wasserdruck viel mehr Blut verarbeiten, und das könne zu Herz-Rhythmusstörungen führen. Wie bei anderen Wasseranwendungen auch ist außerdem Vorsicht bei Bluthochdruck und entzündlichen Hauterkrankungen geboten.

Literatur:

- Jürgen Lüder: Das neue Stress-Lexikon, Books On Demand, 412 Seiten, 24,90 Euro, ISBN-13: 3833465697

- Rüdiger Dahlke: Schwebend die Leichtigkeit des Seins erleben: Urvertrauen gewinnen durch Losgelöstheit und Aufgehen im Augenblick, Schirner, 350 Seiten, 10,95 Euro, ISBN-13: 3897676443