Auf wen Kratzen ansteckend wirkt
Washington (dpa) - Ähnlich wie Lachen oder Gähnen ist auch Kratzen ansteckend. Forscher haben nun herausgefunden, wer sich besonders leicht anstecken lässt - und was dabei im Gehirn passiert.
Emotional labile Menschen lassen sich besonders leicht vom Kratzen anstecken. Sobald sie jemandem dabei zuschauen, verspüren sie selber einen Juckreiz, berichten Forscher um Henning Holle von der britischen Universität Hull. Allein das Beobachten des Kratzens aktiviere Regionen des Gehirns, die auch bei der Tätigkeit selbst eingeschaltet sind.
Möglicherweise sei eine übermäßige Aktivierung dieses Netzwerks im Gehirn - einer Art „Kratz-Matrix“ - verantwortlich für den dauernden Juckreiz, den einige Menschen verspüren, obwohl Ärzte keine organische Ursache dafür finden können. Die Wissenschaftler präsentieren ihre Ergebnisse in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften.
Dass Kratzen ähnlich wie Lachen oder Gähnen ansteckend ist, wissen Forscher seit langem. Allerdings sind nicht alle Menschen gleich anfällig dafür. Holle und seine Kollegen untersuchten das Phänomen nun genauer. Sie zeigten zunächst einer Reihe von Probanden Videos, in denen sich Menschen entweder kratzten oder nur auf bestimmte Körperteile klopften. Dabei filmten die Forscher die Testpersonen heimlich. Nach jedem Video fragten sie die Teilnehmer zudem, wie stark es sie jucke.
Es zeigte sich, dass die Probanden nach den Kratz-Filmen grundsätzlich einen stärkeren Juckreiz verspürten als beim Anschauen der Klopf-Videos. Die Mehrheit ließ sich zudem vom Jucken anstecken: Mehr als 60 Prozent der Versuchspersonen kratzten sich mindestens einmal während sie die Kratz-Videos sahen. Jene, die einen besonders starken Juckreiz verspürten, kratzten sich am häufigsten. Vor allem das Kratzen am linken Oberarm schien einen starken Juckreiz beim Beobachten auszulösen, berichten die Forscher.
Die Auswertung eines psychologischen Fragebogens zur Persönlichkeit ergab weiter, dass vor allem Menschen mit einem Hang zum Neurotizismus anfällig für ansteckendes Jucken waren. Wissenschaftler definieren dieses Persönlichkeitsmerkmal als Tendenz, negative Emotionen stark wahrzunehmen. Besonders empathische, also mitfühlende Menschen waren hingegen nicht übermäßig anfällig für das ansteckende Jucken.
Schließlich zeigten die Forscher einigen Probanden die Videos, während sie dabei im Computertomographen die Hirnaktivität scannten. Es zeigte sich, dass das Beobachten des Kratzens viele Bereiche der „Kratz-Matrix“ aktivierte. Bei den „neurotischen“ Probanden war eine Region besonders aktiv. Diese sei unter anderem bei der Simulation von Handlungen aktiv, schreiben die Forscher. Die genauen Funktionen einzelner Bereiche müssten aber in weiteren Untersuchungen noch entschlüsselt werden.