Bautz'ner Senf wird 60
Bautzen (dpa) - Seit 60 Jahren gibt es Senf aus Bautzen. Im Osten ist er beliebt wie eh und je. Zu DDR-Zeiten gehörte der Senf offiziell zu den Grundnahrungsmitteln. Nun gibt es überall andere Vorlieben - bei Geschmack und Verpackung.
Die Bayern mögen ihn süß, die Rheinländer und Westfalen feurig, die Ostdeutschen am liebsten mittelscharf - und im Plastikbecher. Für Senf war diese Art der Verpackung im Westen lange völlig unbekannt, im Osten dagegen hat sie seit DDR-Zeiten Tradition. In der Bautz'ner Senf & Feinkost GmbH laufen jeden Monat allein rund zwei Millionen 200-Milliliter-Becher des mittelscharfen Klassikers vom Band. Seit genau 60 Jahren wird dort Senf hergestellt.
Jährlich rund 14 500 Tonnen produziert der ostsächsische Betrieb, der seit 1992 zum bayerischen Familienunternehmen Develey gehört. In Deutschland behauptet sich die Traditionsmarke Bautz'ner als meistgekaufter Senf am Markt. Bundesweit habe sie einen Marktanteil von 20 Prozent, hat das Marktforschungsinstitut Nielsen für 2012 errechnet. Im Osten bringt es Senf aus Bautzen sogar auf 65 Prozent.
Unter dem Dach von Develey sind drei Senfhersteller vereint, die verschiedene Märkte mit regionalen Geschmackseigenheiten bedienen. In Bayern ist es der süße Senf, den Johann Conrad Develey 1854 erfand. „Die Liaison mit regionalen Spezialitäten wie Weißwurst und Leberkäse hat den Erfolg dieser Geschmacksrichtung gebracht“, sagt Marketingleiter Volker Leonhardi. Nach Marktanalysen hat die Variante in Bayern mit 34 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Anteil beim Senfverbrauch.
Die scharfe Variante kommt verstärkt in Nordrhein-Westfalen auf den Tisch. In Düsseldorf war 1726 die erste deutsche Senffabrik entstanden. Später produzierten die Gründer der Firma Löwensenf dort nach dem aus Frankreich stammenden Dijon-Verfahren, das für besonders feinen und scharfen Senf steht.
Marktforscher fanden auch heraus, dass der Senfverbrauch zum Jahresende hin deutlich ansteigt und im Dezember am höchsten ist. In dieser Zeit zählt Bratwurst zu den Rennern auf Weihnachtsmärkten. Außerdem würden Würstchen mit Kartoffelsalat vielerorts als Feiertagsessen serviert, heißt es aus dem Hause Develey. Süßer Senf erreicht zusätzlich in der Zeit des Münchner Oktoberfestes einen Höhepunkt im Absatz.
Dem Verband der Hersteller kulinarischer Lebensmittel gehören bundesweit 19 Senfproduzenten an. Sie hätten ihre Sortimente in den vergangenen Jahren um eine Vielzahl anderer Produkte erweitert, etwa zum Würzen von gebratenem oder gegrilltem Fleisch, sagt Hauptgeschäftsführer Dirk Radermacher. Dennoch: „Senf hat nicht gelitten.“ Mit immerhin rund 1,1 Kilogramm Senf deckt sich jeder deutsche Haushalt pro Jahr im Durchschnitt ein, im Osten liegt die Menge sogar leicht darüber.
Selbst bei der Verpackung werden regionale Vorlieben deutlich. Im Bundesdurchschnitt greifen die Deutschen vor allem zu Senf im Glas. Senf in der Tube bringt es im Westen auf immerhin 37 Prozent. Im Osten spielt diese Art von Verpackung wiederum kaum eine Rolle. Dort hat der Plastikbecher nach wie vor Kultcharakter - ihn bevorzugen immerhin 54 Prozent der Käufer zwischen Rügen und Fichtelberg.
Bundesweit am häufigsten - etwa zu zwei Dritteln - wird die mittelscharfe Variante verwendet. In Ostdeutschland ist diese Sorte mit 80 Prozent Anteil besonders dominant. „Dort wurde Senf immer schon sehr breit eingesetzt, auch zum Würzen und Kochen“, sagt Develey-Marketingchef Leonhardi. Tatsächlich gehörte Senf zu DDR-Zeiten offiziell zu den Grundnahrungsmitteln und wurde für 37 Pfennige im Becher verkauft. Statt Butter kam die Würzpaste auch pur auf die Schnitte.