Gesundheit Behandlungsfehler: Wenn der Tumor gar keiner ist

Berlin · Zahl der Fälle ist gestiegen. Gutachter vermissen „Sicherheitskultur“ und fordern Liste mit vermeidbaren Fehlern.

Im Labor des Instituts für Experimentelle Gentherapie und Tumorforschung (IEGT) der Universitätsmedizin Rostock schaut eine Doktorandin auf einen Monitor, auf dem ein Bild von Melanom-Zellen (schwarzer Hautkrebs) zu sehen ist. Symbolbild.

Foto: dpa/Bernd Wüstneck

Die Zahl der ärztlichen Behandlungsfehler ist nach einer am Donnerstag veröffentlichten Statistik des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDS) im vergangenen Jahr gestiegen. Nach Einschätzung der Experten mangelt es an einer nationalen Strategie zur Fehlervermeidung.

Was ist ein Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler kann vorliegen, wenn die Behandlung nicht den aktuellen medizinischen Standards entspricht, ein gebotener medizinischer Eingriff unterlassen oder eine unnötige Behandlung durchgeführt wurde. In der aktuellen MDS-Statistik wird von einem Patienten mit einer Darmspiegelung berichtet, aus der sich der Verdacht auf einen Tumor ergab. Doch prüfte der Arzt das nicht genauer. Stattdessen wurde dem Patienten ein Teil des Darms entfernt. Bei der anschließenden Gewebeuntersuchung zeigte sich, dass kein Tumor vorlag. Fazit: Die Operation war unnötig.

Wie viele Fehler wurden festgestellt?

2018 gingen die Gutachter der Krankenkassen auf Initiative der Betroffenen 14 133 Verdachtsfällen nach. In 3497 Fällen wurden Fehler aufgedeckt. Das waren 160 mehr als im Vorjahr. In jedem fünften Fall (2799) wurde festgestellt, dass der Fehler die Ursache für einen eingetretenen Schaden war. Das ist entscheidend, nur dann bestehen Chancen auf Schadenersatz.

Wo liegen die Fehlerschwerpunkte?

Zwei Drittel der Vorwürfe betrafen die stationäre Versorgung. Das verwundert nicht, denn nach einer Operation lässt sich leichter erkennen, ob etwas schief gelaufen ist, als zum Beispiel bei einer Behandlung mit falschen Medikamenten. Die Orthopädie und Unfallchirurgie bildeten daher auch den Schwerpunkt der Beanstandungen. Hier gingen die Gutachter allein 4349 Vorwürfen nach.

Sind die Daten repräsentativ?

Nein. „Die Dunkelziffer ist hoch“, meinte MDS-Vize-Geschäftsführer Stefan Gronemeyer. Der MDS geht davon aus, dass auf jeden festgestellten Behandlungsfehler etwa 30 unentdeckte Fälle kommen.

Was fordern die Krankenkassen?

Gefordert werden eine nationale Liste mit schweren und vermeidbaren Fehlern wie etwa der Verwechslung einer Körperseite und mehr Verantwortliche für Patientensicherheit in allen Gesundheitsbereichen. Für eine „Sicherheitskultur“ im Sinne der Patienten bleibe noch viel zu tun, so MDS-Vize Gronemeyer.