Berlin auf dem Teller - Eine Foodbloggerin erzählt
Berlin (dpa) - Koch' Gutes und schreibe darüber: „The Wednesday Chef“ gehört zu den bekanntesten Foodblogs, den Kolumnen über Essen & Trinken im Internet. Mittlerweile ist die Autorin aus New York nach Berlin gezogen - und wird bald ein Buch veröffentlichen.
Im „Borchardt“, Berlins berühmtem Restaurant, ist sie noch nie gewesen. Luisa Weiss mag kleine Lokale, „Löcher in der Wand“, wo gekocht wird, als sei es für die eigene Familie. In Charlottenburg hat sie so einen kleinen Laden gefunden. Dort gibt es Börek, die türkischen Teigtaschen, aus dem italienischen Holzofen, und die Gerichte kosten weniger als drei Euro.
Luisa Weiss, in Berlin geboren und aufgewachsen, hat italienisch-amerikanische Eltern und ist Foodbloggerin. Die 34-Jährige beschreibt und fotografiert ihre kulinarischen Erlebnisse für ihre Internetkolumnen. Ihre Seite „The Wednesday Chef“ landete in der „Times“ auf Platz 3 der 50 besten Foodblogs weltweit.
Am Mittwoch erscheinen in amerikanischen Zeitungen traditionell die Kochtipps, daher der Name. Die Rezepte hat sie gesammelt und nachgekocht - neben ihrem Job als Lektorin und Literatur-Scout in New York. „Ich hatte immer sehr lange Tage“, erzählt sie. Der Blog entwickelte ein Eigenleben und hatte schließlich 90 000 Leser im Monat.
Mit einer Buchidee im Gepäck zog Weiss vor zweieinhalb Jahren nach Berlin zu ihrem deutschen Mann. „Ich hatte schon immer Heimweh.“ Sie bloggt auch über ihre Hauptstadt-Erlebnisse - von der scharfen Sauce im Falafel-Imbiss über einen fast sushi-freien Japaner bis zu den „Americana“, die sie bei Aldi gefunden hat. Und sie hat ein Buch geschrieben, das im Herbst erscheint, eine „Food Memoir“. Das ist eine literarische Gattung, die Biografisches mit Essen & Trinken verquickt.
Eine Geschichte handelt zum Beispiel davon, wie sie als Kind mit ihrer Tagesmutter zu DDR-Zeiten von West-Berlin in ein brandenburgisches Dorf fährt - im Kofferraum Bananen und Schweizer Schokolade. Sie isst Quarkauflauf und hellrote Kirschen, die so sauer sind, dass sich der Mund zusammenzieht. Dem amerikanischen Leser erklärt Weiss, was Quark ist - ein bisschen wie eine Mischung aus Joghurt und Hüttenkäse - und beschreibt das Rezept für den Auflauf.
Wie in ihrem Blog zu lesen ist, hat sie gerade zum ersten Mal in ihrem Leben zuhause Burger selbst gemacht, eine anrührende Episode, weil sie über ihre Zeit als werdende Mutter sinniert. Weiss kocht gerne selbst. Italienische Gerichte oder Bananenbrot gehören zu ihren Standards. Im Regal steht ein vergilbtes Kochbuch von 1965, das ihre Mutter zur Verlobung bekam. Damit hat sie als Kind Shortbread gebacken.
Das Berliner Angebot, auch wenn es besser geworden ist, findet Weiss oft enttäuschend. „Man muss sehr viel Zeit damit verbringen, viele Nieten durchzuarbeiten, bevor man etwas Schönes findet.“ Die internationale Küche sei oft nicht authentisch, sondern auf den deutschen Geschmack ausgerichtet. Weiss vermisst in Berlin etwa gute Inder. „Das schmeckt alles gleich.“ Und wo doch Türken schon jahrzehntelang in Deutschland lebten: Warum werde die türkische Küche nicht gefeiert?
In ihrer neuen, alten Heimat ist ihr zu wenig Bewegung. „Ein neues Restaurant macht auf und alle sind ganz aufgeregt. Und dann geht man hin und sie verkaufen Schnitzel, Spargel und Bratkartoffeln.“ Dabei habe Deutschland eigentlich richtig tolles, leckeres Essen. „Aber das wird nicht so zelebriert.“
Ein paar gute hiesige Restaurants fallen ihr aber doch ein: Die „Henne“, das „Renger-Patzsch“ oder das „Engelbecken“. Döner verschmäht sie („Pressfleisch!“), lieber sind ihr Schawarma oder manchmal eine Currywurst. Und der Service in Berlin? „Furchtbar.“ Als das Interview vorbei ist, hofft Weiss, dass sie nicht zu negativ war. „Ich bin wahnsinnig gerne hier.“ Ihr Buch „My Berlin Kitchen“ trägt den Untertitel „A Love Story“. Eine Liebesgeschichte also.
Literatur:
„My Berlin Kitchen: A Love Story (with Recipes)“ erscheint im September auf Englisch bei Viking, 2013 auf Deutsch bei Blanvalet.