Auch mal nichts tun - So halten Azubis ihr Leben im Lot

Düsseldorf (dpa/tmn) - Eine harte Woche mit neuen Eindrücken im Betrieb und viel Stress in der Berufsschule. Und dann noch die Kumpels, die abends auf die Piste wollen. Das kann einen als Azubi echt umhauen.

Da hilft nur: auch mal Nein sagen und am Wochenende ausspannen.

Vom beschaulichen Schulalltag und dem wohlbehüteten Elternhaus auf einmal in die raue Wirklichkeit des Berufsalltags: Das kann Jugendlichen am Anfang ihres Arbeitslebens ganz schön zu schaffen machen. „Sie erleben eine Art Realitätsschock“, sagt der Diplom-Psychologe Lutz Hertel. Nicht wenige brächen dann seelisch zusammen. „Viele psychische Krisen entwickeln sich in der Adoleszenz, also im Alter zwischen 18 und 30 Jahren. Stress in dieser Zeit begünstigt den Ausbruch psychischer Erkrankungen.“ So weit muss es aber nicht kommen, wenn man schon zu Beginn seiner Ausbildung auf den richtigen Ausgleich achtet. Anders gesagt: Wenn man von Anfang an auf eine gute Work-Life-Balance achtet.

„Die vielen Stressreize kann man kompensieren“, erläutert Hertel, der Vorsitzender des Deutschen Wellnessverbandes in Düsseldorf ist. „Man braucht Rückzugsmöglichkeiten und Erholungsmöglichkeiten. Und man muss auch erkennen, wo die eigenen Grenzen sind.“ Dazu gehöre einerseits die Erkenntnis, dass die Arbeit nicht alles dominieren darf, wie Hertel sagt - „auch in der Ausbildung nicht“. Das heißt, nach der Arbeit muss noch genug Zeit bleiben, um Freunde zu treffen oder Sport zu machen. Andererseits dürften die Freizeitaktivitäten aber auch nicht in Stress ausarten. Das bedeutet: Wer als Azubi von seiner Arbeitswoche völlig ausgelaugt ist, sollte auch mal Nein sagen, wenn die Kumpels am Freitagabend noch losziehen wollen.

Manchem fällt es schwer, den Freunden deutlich zu machen: „Das ist mir zu viel.“ Aber Offenheit und Ehrlichkeit seien der beste und gesündeste Weg, sich die Erholung zu verschaffen, die man braucht, sagt der Psychologe. „Das ist gerade die Eigenschaft, die selbstsichere Menschen haben. Lernen kann man das durch Üben, Üben, Üben.“ Wer sich fürchtet, seine Freunde vor den Kopf zu stoßen oder in der Clique als uncool zu gelten, müsse das aushalten. „Angst überwindet man, indem man durch sie hindurch geht.“

Die Erfahrung zeige meist, dass solche Ängste unbegründet sind. Wichtig sei aber auch, sich von falschen Grundüberzeugungen wie „Ich muss es allen recht machen“ oder „Ich muss überall dabei sein, um nicht zum Außenseiter zu werden“ zu verabschieden. Das erfordert Mut - und manchmal auch die Entscheidung, dass die bisherigen Freunde vielleicht nicht mehr die richtigen sind. „Suchen Sie sich Leute mit gleicher Wellenlänge, die ähnlich ticken, um einem Gruppendruck zu entgehen, der Ihnen zu schaffen macht“, empfiehlt Hertel.

Und nicht zu vergessen: „Guter Schlaf ist das A und O. Und das Wochenende sollte wirklich zur Auszeit genutzt werden“, betont der Psychologe. Wer seelisch und körperlich gesund ist, dem reiche das zur Erholung. „Machen Sie etwas, was Ihnen Lust und Freude bereit, pflegen Sie Ihren Freundeskreis, treiben Sie Sport im Sinne von Spiel, also ohne überhöhten Leistungsdruck.“ Einfach mal nichts tun und auf dem Sofa gammeln, ist dann übrigens auch erlaubt - und sogar sinnvoll.