Bio ist Vertrauenssache

EU will die Regeln für die Produktion der großen Nachfrage anpassen. Die Landwirte sind jedoch skeptisch.

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Brüssel/Berlin. Wenn Kunden beim Einkaufen zu „bio“ greifen, zählt Vertrauen. Denn ökologisch erzeugte Lebensmittel kosten mehr als herkömmliche. Und Verbraucher wollen sicher sein, dass wirklich drin ist, was Siegel auf der Verpackung versprechen. Wie sensibel die Frage ist, zeigte sich gerade wieder in Mecklenburg-Vorpommern, wo erneut Zweifel an Bio-Eiern aufkamen.

Die Justiz will Ermittlungen dazu jeodch einstellen. Moniert wurde nur, dass Hennen in einigen Fällen zu kleine Auslaufflächen haben sollen. Die Regeln für Europas Öko-Erzeuger will die EU jetzt ohnehin neufassen.

Weil „bio“ boomt und auch schwarze Schafe anlockt. Der EU-Rechnungshof hat 2012 die Kontrollen im Ökolandbau kritisiert und bemängelt, dass vor allem bei Verarbeitung und Vertrieb gemauschelt werde. „Es hat Fälle von Betrug mit Hunderttausenden Tonnen (Lebensmitteln) gegeben“, sagt EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. „Die Versuchung ist sehr groß, mit Betrug auf die erhöhte Nachfrage zu reagieren.“ Die Kommission will aus der Gründerzeit der Biobewegung stammende EU-Regeln anpassen.

Geplant sind schärfere Vorgaben und strengere Kontrollen für die Öko-Branche. Brüssel will die Zahl der Ausnahmen reduzieren. Bislang dürfen Biobauern etwa auch konventionelles Futter oder Saatgut verwenden, wenn es kein entsprechendes Bioangebot gibt.

Erwogen werden auch strengere Grenzwerte für Verunreinigungen durch Pestizide oder gentechnisch veränderte Produkte. Zudem sollen alle Bioprodukte strengerer Kontrolle unterliegen — vom Anbau bis zum Laden.

Für den Biomarkt gibt es in Deutschland ein Netz aus 18 privaten Kontrollstellen. Zugelassen und überwacht werden sie von den Ländern, die für Lebensmittelsicherheit zuständig sind. Bio-Höfe schließen mit diesen Stellen Verträge und verpflichten sich auf die Einhaltung der Vorschriften.

Mindestens einmal im Jahr stehen Prüfungen bei Bauern, Verarbeitern und Importeuren an. An diesem System wird immer wieder Kritik laut. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) mahnte erneut ein bundesweit einheitliches Vorgehen an.

Die Ökobranche warnt davor, das EU-Regelwerk komplett umzuschreiben und abrupt zu verändern. Viele Höfe hätten zum Beispiel erst in neue tiergerechte Ställe investiert, argumentierte der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Der Öko-Beauftragte des Bauernverbands, Heinrich Graf von Bassewitz, mahnte, Vorgaben wie „100 Prozent“ bio im Endprodukt seien unrealistisch.

So könne Dioxin aus dem Verkehr über die Luft ins Gras kommen, das Tiere fressen. Der Bundesverband Naturkost Naturwaren befürchtet sogar, der Ökoanbau könnte sogar zugunsten konventioneller Produktion mit allen Problemen zurückgedrängt werden.

Die Nachfrage nach Bio-Produkten wächst insgesamt stärker als die Flächen. Laut EU-Kommission vervierfachte sich der Markt für Öko- Erzeugnisse in den vergangenen zehn Jahren, die landwirtschaftlichen Flächen verdoppelt sich aber nur. In Deutschland vergrößerte sich der Anteil der biologisch bewirtschafteten Felder 2012 noch um 0,1 Punkte auf 6,2 Prozent der gesamten Ackerfläche. In den Geschäften legte der bundesweite Umsatz mit Bio-Lebensmitteln dagegen 2013 um 7,2 Prozent auf mehr als 7,5 Milliarden Euro zu — auch wegen höherer Preise.

Heute will EU-Kommissar Ciolos seine Pläne vorstellen. Das Konzept wird nur dann Gesetz, wenn Europaparlament und EU-Ministerrat zustimmen. Aus dem Parlament gibt es aber bereits Kritik. Die Grünen bemängeln wie Anbauverbände eine Verschärfung der Regeln.