Burnout kann jeden treffen
Die meisten Betroffenen ignorieren die Anfangssymptome. Auslöser für die Krankheit ist meist Dauerstress.
Düsseldorf. Die blonde Frau sitzt am Tisch, eine Leselampe scheint auf das Buch in ihrer Hand. Sie schlägt die erste markierte Seite auf, hält inne. Schaut hoch. Klappt es wieder zu. „Ich möchte zunächst etwas ganz persönliches erzählen.“ Wie sie vor rund drei Jahren in einem Hotelzimmer stand und nicht mehr in der Lage war, ihre Sachen in den Koffer zu packen. Stattdessen versuchte, Mails zu beantworten. Obwohl das Flugzeug wartete. Die Diagnose: Burn-out. Die Frau: Miriam Meckel. Die Düsseldorferin war mit Mitte 30 jüngste Lehrstuhlinhaberin Deutschlands, 2001 Staatssekretärin und Regierungssprecherin von Nordrhein-Westfalen, ihre Bücher sind maßgebende Literatur und Bestseller. Miriam Meckel, Lebensgefährtin von Anne Will, führte ein Leben auf der Überholspur. Jahrelang. Sie brannte aus.
„Die wenigsten Menschen nehmen die ersten Symptome ernst genug, um etwas an ihrem Leben zu ändern“, sagt Dr. Sabine Schonert-Hirz. Die Medizinerin und Gesundheitsexpertin schaut bei ihren Patienten genau hin. „Wer stark unter Stress steht und über Schlafstörungen klagt, dem ist mit Tabletten nicht geholfen.“
Im Gegenteil: Hier kann aktive Entspannung helfen, aber vor allem positive Erlebnisse. „Man muss sich wieder auf etwas freuen können und sich belohnen.“ Und sie beruhigt: „Wer über 30 ist, darf sich am Freitagabend körperlich wie geistig erschöpft fühlen.“ Stress in Maßen ist gesund und wichtig, doch auf die Dosierung kommt es an.
„Dauerstress macht krank“, erklärt Dr. Horst Walter Ebeling-Golz, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie aus Mönchengladbach. Das Gefährliche auf dem Weg in den Burnout: Das System fährt immer weiter hoch, läuft auf Hochtouren, bis es völlig überdreht. „Viele Patienten erzählen hinterher, sie hatten kurz vor dem Zusammenbruch das Gefühl, sie könnten fliegen“, so Schonert-Hirz.
Normalerweise sollten sich negativer Stress und positive Erlebnisse wie eine Sinuskurve immer wieder ausgleichen, doch bei Dauerstress bleiben die Glücksmomente irgendwann aus. Was folgt ist eine Depression. „Irgendwann ist der Zeitpunkt verpasst, an dem jeder selbst durch eine Auszeit, genügend Schlaf oder Entspannung dieses Defizit wieder ausgleichen könnte. Die Folge ist Burnout“, so Ebeling-Golz. Dann muss das Gehirn als krankes Organ des Körpers medikamentös behandelt werden. Mit Antidepressiva, die den Mangel ausgleichen. „Die Behandlung muss mit absoluter Ruhe einhergehen, die Gedanken dürfen nicht ständig um Probleme kreisen“, erklärt der Experte. Deshalb ist für viele Betroffene ein Klinikaufenthalt unverzichtbar.
Miriam Meckel schaute tagelang aus dem Fenster, sie hatte kein Telefon, keinen Fernseher, keinen Besuch. Neue Reize vermeiden, keine alten Muster wiederbeleben. „Ich musste mein Leben völlig neu organisieren, nichts durfte mehr so sein wie vorher“, erinnert sich die 43-Jährige.