Burnout-Syndrom: Ausgebrannt von der Arbeit
Fast jeder zehnte Deutsche lässt sich behandeln. Viele brennen wegen steigender Belastungen am Arbeitsplatz aus.
Düsseldorf. Ausgebrannt. Bettina M. kann es immer noch nicht glauben. "Zuerst dachte ich, es sei halt der übliche Stress. Ich war abends immer völlig fertig", berichtet die Abteilungsleiterin. Doch dann wurde es schlimmer. Bettina M. konnte nicht mehr schlafen oder wachte morgens viel zu früh auf.
"Die Gedanken drehten sich nur noch um die Firma." Ihre Vorgesetzten erwarteten immer bessere Zahlen und ihre Mitarbeiter beschwerten sich über zu viel Arbeit. "Diese Sandwich-Position ist ein klassischer Fall, der zu Burn-out führen kann", sagt Dr. Hermann Paulus, Leiter der Oberberg-Kliniken im Weserbergland.
Burnout ist laut medizinischer Definition ein chronisches Erschöpfungssyndrom, das in eine Depression führen kann. Der Techniker Krankenkasse zufolge hat etwa jeder Zehnte einmal in seinem Leben eine Depression. Und 32 Prozent der Deutschen, die im Jahr 2005 früher in Rente gegangen sind, gaben psychische Erkrankungen als Grund an, so der Deutsche Rentenversicherung Bund.
Nicht nur Spitzenmanager oder Prominente macht Stress krank. Es sind vor allem steigende Belastungen am Arbeitsplatz und die Angst vor Jobverlust, die zu psychischen Problemen führen. So wie bei Bettina M. Dabei ist die Grenze zwischen normalem Stress und krankhaften Symptomen fließend. "Wenn man nicht mehr abschalten kann, Schlafstörungen oder Angst vor der Arbeit hat, sollte man spätestens einen Arzt aufsuchen", sagt Dr. Birgit Janssen, Oberärztin für Psychiatrie und Psychotherapie an der Rheinischen Landesklinik Düsseldorf.
Die Patienten müssen ihr Leben meist radikal verändern. Das geht selten ohne ärztliche Hilfe. "Die Patienten laufen wie ein Hamster im Rad, getrieben von immer neuen Aufgaben", erläutert Paulus. Überforderung kann zu ernsthaften Erkrankungen führen: 8,5 Millionen Deutsche lassen sich wegen Angsterkrankungen behandeln. Der Universität Bochum zufolge sind das 27 Prozent mehr als im Jahr 2000. "Tendenz steigend", sagt Paulus.
Gefährdet sind ganz unterschiedliche Berufsgruppen: Es sind soziale Berufe wie Priester, Sozialarbeiter oder Pflegekräfte, die dem psychischen Druck der Betreuung nicht Stand halten. Auch Menschen, die immer freundlich sein müssen, zum Beispiel Servicepersonal, sind betroffen, weil die tatsächliche Befindlichkeit von der freundlichen Fassade unterdrückt wird. Probleme haben aber auch zunehmend Eltern, die mit mehreren Aufgaben überfordert sind.
Erschöpfung Ein Zeichen für Überarbeitung ist, dass man immer mehr arbeitet, aber immer weniger schafft. Viele Betroffene halten sich für unentbehrlich und vernachlässigen eigene Bedürfnisse.
Intoleranz Ein Zeichen ist Verlust der Freude an der Arbeit. Oft steigt die Reizbarkeit gegenüber Vorgesetzten und Kollegen.
Private Probleme Reizbarkeit im privaten Umfeld ist ein Symptom, ebenso Sinnkrisen und Suizidgedanken. Betroffene haben häufig Schuldgefühle.
Warnzeichen Sehr häufig äußern sich psychische Probleme in körperlichen Beschwerden: Schlafstörungen, chronische Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Hörsturz, Tinnitus oder Gewichtsveränderungen. Der Umkehrschluss ist nicht zulässig: Nicht jeder, der schlecht schläft, ist ausgebrannt.
Kurze Entspannung Am Arbeitsplatz, aber auch zu Hause helfen kurze Entspannungspausen: kurz zurücklehnen und durchatmen, die Gedanken schweifen lassen.
Lange Entspannung In speziellen Kursen kann man Stressbewältigung und Entspannung lernen. Dazu gehören Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung und Yoga. Viele Krankenkassen fördern die Kurse.
Anders Arbeiten Angestellte in helfenden Berufen sollten mit Kollegen und Außenstehenden über ihre Gefühle und die betreuten Menschen reden. Stark beanspruchte Menschen sollten Zeit für Hobbys, Familie oder Freunde einplanen. Ist der Job der Grund für das Burnout-Syndrom, kann es sein, dass der Patient die Firma oder Branche wechseln muss.
Anders Leben Nicht nur Überanstrengung im Beruf kann zu Burnout führen. Auch privat sehr engagierte Menschen sind gefährdet, zum Beispiel Eltern oder Pflegende, die sich sehr stark einer Aufgabe widmen. Auch sie brauchen Auszeiten.
Behandlung Nach der Diagnose eines Burnout-Syndroms gibt es unterschiedliche Therapien. Durch Psychoanalyse und tiefenpsychologische Verfahren werden die Hintergründe der Krankheit erforscht. Verhaltenstherapie übt gezielt neues Verhalten. "Wir bauen das Leben der Menschen auseinander und setzen es dann wieder zusammen", beschreibt Dr. Hermann Paulus.
Reha In der Regel dauert die ambulante Behandlung sechs bis acht Wochen. Schwerere Fälle werden in Kliniken mit leichten Antidepressiva behandelt.