Demenz wird bei vielen Betroffenen zu spät erkannt
Rostock (dpa) - Viel mehr ältere Menschen als bisher angenommen leiden einer Studie der Universitäten Rostock und Greifswald zufolge unter Demenz. Die Forscher weisen auch auf einen falschen Umgang mit Medikamenten hin.
Es sei festgestellt worden, dass fast alle Demenz-Patienten auch Probleme bei der korrekten Einnahme ihrer Medikamente haben, sagte Stefan Teipel von der Rostocker Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin. Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftler 630 über 70-jährige Frauen und Männer aus ganz Mecklenburg-Vorpommern, die schon bei Hausärzten in Behandlung waren und unter Gedächtnisproblemen litten.
Bei einfachen Testverfahren und kleinen Gedächtnisaufgaben sei der hohe Anteil Erkrankter entdeckt worden, erklärte Teipel. Es sei ein trauriger Fakt, dass 40 Prozent der Patienten, die für die Studie gewonnen wurden, keine formale Demenz-Diagnose hatten, trotzdem aber daran erkrankt waren. Dabei sei eine frühe und vernünftige Diagnose wichtig, denn sie bedeute eine bessere Versorgung.
Ziel der Studie sei, Menschen mit Demenz und ihre Familien möglichst frühzeitig in das regionale Gesundheitssystem einbinden, sagte der Greifswalder Studienleiter Wolfgang Hoffmann. Es sei alarmierend, dass 94 Prozent der Patienten ihre Medikamente nicht wie verschrieben einnehmen. Zum Teil schluckten sie Medikamente, die gar nicht zu ihren Symptomen passten.
So würden teilweise Neuroleptika verschrieben, die eigentlich bei psychotischen Symptomen helfen sollen. „Sie stellen den Patienten eher ruhig“, sagte Teipel. Häufig brauche es gar keine Medikamente. „Oft ist eine Veränderung der Umgebung das Mittel der Wahl. Etwa eine verbesserte Tagesstruktur, Aufenthalte an der frischen Luft, mehr Bewegung.“
Die Studie offenbare auch die Kluft zwischen den von universitären Experten erarbeiteten Leitlinien für die Demenz-Behandlung und der Realität in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern. Bestmögliche medizinische Versorgung und hilfreiche Beratungsangebote seien noch nicht überall verfügbar. Besserung sei von Besuchen von speziell geschulten Krankenschwestern zu erwarten. Diese sogenannten Dementia Care Manager unterstützten die Hausärzte und erstellten für jeden Patienten einen maßgeschneiderten Behandlungs- und Versorgungsplan, sagte Teipel.