Vorsorge Die Diagnose Rheuma kommt oft erst spät
Steife Gelenke, die Knochen tun weh – ein Viertel der deutschen Bevölkerung kennt diese Beschwerden nur zu gut. Bis es schließlich zur Diagnose „Rheuma“ kommt, hat so manch einer schon einige Arztbesuche hinter sich.
Das erwies jetzt auch eine europäische Studie.
Am Morgen ist es am schlimmsten. Erst mal die steifen Glieder lockern, dann wird der Schmerz schon wieder nachlassen. So oder so ähnlich fing es bei den meisten Rheumapatienten an. Es tauchten Beschwerden auf, die sie zunächst nicht weiter ernst nahmen. Doch mit der Zeit wurden sie immer schlimmer.
Der schleichende Verlauf ist typisch für Rheuma-Erkrankungen. Das ist einer der Gründe, warum sie oft erst spät erkannt werden. Der alljährliche Welt-Rheuma-Tag am 12. Oktober soll dem entgegenwirken und mehr Aufmerksamkeit für die Krankheit schaffen. Auch wenn er in diesem Jahr Corona bedingt nur virtuell stattfinden wird, hat die Deutsche Rheuma-Liga wieder ein abwechslungsreiches Programm zusammengestellt.
Die vielen Gesichter von Rheuma
So abwechslungsreich wie die Krankheit selbst. Rheuma ist der Sammelbegriff für zahlreiche, teils sehr unterschiedliche Krankheiten des Stütz- und Bewegungsapparates. Einige davon werden in der Gruppe der entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zusammengefasst. Es handelt sich dabei um Autoimmunkrankheiten. Das Immunsystem, das eigentlich dafür sorgt, Krankheitserreger aus unserem Körper zu beseitigen, greift die eigenen Gelenke und Sehnen an. Die Folge sind schmerzhafte Entzündungen.
Es gibt zahlreiche Formen dieser Krankheitsgruppe. Die häufigste ist die rheumatoide Arthritis. Sie macht sich durch warme, geschwollene und schmerzende Gelenke bemerkbar, die sich später verformen, wenn sie nicht behandelt werden.
Trifft es den Rücken, spricht man von einer axialen Spondyloarthritis (axSpA). Die Frühform heißt nr-axSpA, weil man auf dem Röntgenbild noch nichts erkennen kann (nr = nicht-röntgenologisch). Sind dagegen Verknöcherungen beim Röntgen sichtbar, heißt die Krankheit ankylosierende Spondylitis (AS), besser bekannt als Morbus Bechterew. Der komplizierte Name kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „verbiegende/versteifende Wirbelentzündung“. Denn genau das macht der Rücken, wenn die Wirbelkörper verknöchern: Er wird krumm.
Wie vielfältig die Rheumaformen sind, zeigt ein weiteres Beispiel: die Schuppenflechten- oder Psoriasis-Arthritis (PsA). Diese bekommen nur Menschen mit Schuppenflechte (Psoriasis). Dabei kann sie sowohl nach jahrelangem Bestehen als auch gleichzeitig mit den Hauterscheinungen auftreten oder sogar, bevor sie sichtbar werden. Meist entzünden sich ausschließlich Knie- und Sprunggelenke oder Finger- und Zehen-Endgelenke.
Der Ärztemarathon
Wissenschaftler der Universität von Sevilla haben in einer großen europäischen Querschnittsstudie beobachtet, dass besonders die axSpA-Patienten in Europa bis zu ihrer Diagnose bereits zahlreiche medizinische Einrichtungen besuchten. Ein Grund dafür kann sein, dass im Gegensatz zu anderen Rheumaformen, die Beschwerden bei dieser Erkrankung schon in jungen Jahren auftauchen. Wenn ein 20-Jähriger mit morgendlichen Rückenschmerzen zum Arzt geht, denkt dieser meist nicht zuerst an Rheuma. Durchschnittlich sieben Jahre dauert es laut Studie, bis die Diagnose steht. Der Betroffene hat also schon einige Ärzte und Therapeuten gesehen, bis er schließlich beim Rheumatologen gelandet ist.
Rheumatherapie so früh wie möglich
Dabei gilt besonders bei Rheuma, so früh wie möglich den Kampf gegen die Krankheit aufzunehmen. Rheuma ist zwar nicht heilbar, eine früh einsetzende Therapie kann aber die Beschwerden lindern und das Fortschreiten der Krankheit sogar aufhalten. Darauf weist auch die Deutsche Rheuma-Liga hin und hat eigens zu diesem Thema eine Broschüre herausgebracht.
Behandelt man die Entzündungen in den Gelenken oder der Wirbelsäule nicht, versteifen sie und bleiben am Ende krumm. Doch so weit muss es heute nicht mehr kommen. Früh erkannt, kommen Rheumapatienten mit einer Kombination aus verschiedenen Medikamenten, Physio- und Ergotherapie sowie, wenn notwendig, einer Schmerztherapie, abgerundet durch eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung weiterhin gut durchs Leben.