Essen aus der Box - Das Geschäft der Zutaten-Lieferdienste
Stuttgart (dpa) - Sie heißen Hello Fresh oder KommtEssen: Online-Lieferdienste von Kochboxen bringen Essen zum Selberkochen an die Haustür. Nun drängt ein neuer Anbieter auf den Markt - mit Coca-Cola als Unterstützer im Rücken.
Wenn die Schlange an der Supermarktkasse mal wieder endlos ist, wünscht es sich wohl so mancher: Nicht mehr einkaufen gehen zu müssen. Das wollen sich derzeit gleich mehrere Anbieter zunutze machen - mit vorgefertigten Kochboxen aus dem Internet. Sie richten sich an Menschen, die lieber selbst kochen statt den Pizzadienst zu rufen, zum Selbsteinkaufen aber keine Zeit haben oder keine Lust.
Die Konzepte erinnern an „Malen nach Zahlen“ für Hobbyköche: Kunden bekommen zu festgelegten Zeiten Boxen mit mundgerecht abgepackten Lebensmitteln und dem dazu passenden Rezept nach Hause geliefert. Auf letzterem wird dann mit Fotos und in einzelnen Schritten erklärt, wie die einzelnen Teile zu einer fertigen Mahlzeit verarbeitet werden.
„Ich halte das Konzept für extrem vielversprechend“, sagt Handelsexperte Wolf Wagner vom Beratungsunternehmen EY in Stuttgart. „Solche Boxen decken gleich mehrere Trends wie den zum gemeinsamen Kochen und zum Einkaufen im Netz ab.“
Einer EY-Studie zufolge dürften 2020 rund 10 Prozent der Lebensmittel im Netz gekauft werden. Derzeit ist der Anteil mit etwa einem halben Prozent allerdings noch verschwindend gering. Zuletzt gaben die Deutschen demnach jährlich etwa 175 Milliarden Euro für Lebensmittel aus. Ein Grund für den geringen Online-Anteil ist Wolf zufolge auch die Logistik. Derzeit müssen sich Kochbox-Kunden in der Regel auf feste Lieferzeiten festlegen, zu denen die Gerichte kommen.
Zugleich wird der Markt enger: Neben Hello Fresh, Kochhaus, KommtEssen und Co drängen mit Marley Spoon und Home eat Home neue Anbieter ins Geschäft. Letzterer hat einen Großkonzern im Rücken: Coca-Cola unterstützt das Start-up finanziell.
„Das ist keine karitative Veranstaltung“, betont Mitgründer Sebastian Esser. Das Geld, das der Getränkehersteller in die Firma pumpt, solle zu einem gewissen Zeitpunkt in Anteile umgewandelt werden.
Anders als Hello Fresh & Co, die ihre Boxen zumeist im Abo und übers Netz vertreiben, arbeitet Home eat Home vornehmlich mit festen Abholstationen. In Fitnessstudios, Bürogebäuden oder Spätis können sich Kunden - bisher nur in Berlin - die Do-it-yourself-Kochsets abholen. Die Expansion in weitere Großstädte wie Hamburg ist geplant. Seit Neustem können Kunden die Boxen auch per Lieferservice übers Internet bestellen.
Das Abo-Konzept der Konkurrenz hält Experte Wagner aber für besonders lohnend: „Ich binde die Kunden an mich und habe bessere Planbarkeit. Auch für die Kunden ist es bequem“, erklärt er. Bei Hello Fresh, einem der bekanntesten Anbieter, legen sich Nutzer auf eine Box mit drei Gerichten fest, die wöchentlich kommt, wenn man sie nicht kündigt. Neben Deutschland liefert Hello Fresh auch nach Österreich, die Niederlande, Belgien, die USA, Großbritannien und Australien.
Aber lässt sich damit auch Geld verdienen? „Die Kochboxen können profitabel sein, insbesondere wenn sie in Kombination mit anderen Dingen verschickt werden“, sagt Wagner. Derzeit geben Anbieter die Boxen ihm zufolge noch zu billig ab. „Aber wenn man darüber nachdenkt, den Inhalt anders zu finanzieren, dann sind neue Geschäftsmodelle denkbar.“
Hilfreich seien Kooperationen mit Herstellern, die Produkte zur Verfügung stellten, um für sich zu werben. Home eat Home arbeitete nach eigenen Angaben bereits mit einem Gewürzhersteller zusammen, dessen Produkte in die Rezepte integriert wurden.
Zu ihren Bilanzen halten sich die Anbieter derzeit noch bedeckt. Profitabel sind wohl die wenigsten. Das gilt auch für Newcomer Marley Spoon. „Für uns geht es erstmal um Wachstum“, betont Marketingchef Jonas Erich. „Wir wollen das Konzept global bekanntmachen.“ Im August 2014 ging der Lieferdienst an den Start, schon im November brachten die Macher das Konzept in die Niederlande und nach England. Mit 9,50 Euro pro Gericht ist Marley Spoon deutlich teurer als die Konkurrenz, deren Gerichte zum Teil weniger als 5 Euro pro Person kosten. Der Lieferdienst richtet sich allerdings auch an andere Zielgruppen.
„Die Frage ist, wie viele Player langfristig nebeneinander existieren können“, sagt Erich. „Noch profitieren wir aber voneinander, weil das Konzept so bekannter wird.“