Experte rät Licht gegen den Winterblues
Viele Menschen leiden unter den kurzen und dunklen Tagen.
Düsseldorf. Im Winter fühlen sich viele Menschen schlapp und unmotiviert. Draußen ist es kalt und es wird früh dunkel — am Freitag (21. Dezember) steht uns der kürzeste Tag des Jahres und gleichzeitig der kalendarische Winteranfang ins Haus. Warum die dunklen Wintermonate manchen aufs Gemüt schlagen und was man dagegen tun kann, erklärt im Interview Chronobiologe Till Roenneberg, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München die innere Uhr des Menschen erforscht.
Herr Roenneberg, warum fühlen sich viele Menschen im Winter schlapp und müde?
Till Roenneberg: Die meisten Menschen sind es nicht mehr gewöhnt, den jeweiligen Jahreszeiten angepasst zu leben. Sie wollen jederzeit topfit und aktiv sein. Doch das ist ein Fehler, weil wir als biologische Lebewesen in der Jahresstruktur leben. Der Winter ist per se eine Jahreszeit, in der wir länger schlafen. Man sollte deshalb versuchen, seinem Schlafbedürfnis nachzugeben, und auch akzeptieren, dass man schlapp ist und Ruhe braucht.
Was kann man gegen schlechte Stimmung — den sogenannten Winterblues — unternehmen?
Roenneberg: Wir sind nicht mehr genug draußen und bekommen nicht mehr genug natürliches Licht. Sollte man sich zu melancholisch fühlen, kann man dem entgegenarbeiten und viel nach draußen gehen. Das Licht unter freiem Himmel ist auch bei schlechtem Wetter um Faktor 500 bis 1000 höher als drinnen. Wenn man viel rausgeht, kann man außerdem nicht nur der schlechten Stimmung entgegenarbeiten, sondern am Abend auch besser schlafen. Und man kann die entspannte Zeit dazu nutzen, um kommunikativ zu werden, sich mit dem Partner zu unterhalten oder auch um zu lesen.
Wie verändert sich der Körper in den Wintermonaten?
Roenneberg: In den Wintermonaten verändert der Körper unter anderem seine Präferenzen für Nahrung. Im Winter isst man mehr Kohlenhydrate, im Sommer mehr Proteine. Die Tatsache, dass wir Weihnachtsplätzchen backen, hat also unter Umständen nicht nur traditionelle Gründe, sie sind schnelle Energienahrung.
Wie äußern sich Winterdepressionen?
Roenneberg: Die saisonal-affektive Depression (SAD) kann sehr stark sein und unter anderem mit einer Lichttherapie behandelt werden. Dabei werden morgens nach dem Aufstehen, falls es noch dunkel ist, helle Lampen verwendet. Diese Depressionen unterscheiden sich sehr stark von anderen und kommen tatsächlich im Herbst und Winter. Im Gegensatz zu anderen Depressiven haben SAD-Patienten übrigens Heißhunger auf Süßes.
Was passiert im Körper ohne Licht?
Roenneberg: In der Jahreszeiten-Isolation fängt der Körper an, einen eigenen Rhythmus vorzugeben. Bei Vögeln lässt sich das gut beobachten. Sie wurden in Versuchen einer künstlichen Konstanz ausgesetzt. Das bedeutet, jeder Tag im Versuch war gleich lang. Die Organismen machten dann trotzdem einen Jahresrhythmus durch, mit der Mauser und allem, der dann aber nicht mehr genau 365 Tage hatte, sondern etwas kürzer war. Das ist ein starker Beweis dafür, dass es die inneren Uhren gibt.