Experten: Mehr Placebos nutzen - denn sie nutzen
Berlin (dpa/tmn) - Zuckerpillen und weiße Salbe wirken doch: Experten raten Ärzten deshalb, den Placebo-Effekt stärker für die Therapie zu nutzen. Allerdings nur unter bestimmten Bedingungen.
Ein Medikament muss nicht immer einen Wirkstoff enthalten, um gegen eine Krankheit zu wirken. Dieser in verschiedenen Studien beobachtete sogenannte Placebo-Effekt könne bei nahezu jeder Behandlung auftreten. Das erläuterte der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer in einer am Mittwoch (2. März) in Berlin vorgestellten Stellungnahme. Die Experten halten den bewussten Einsatz von Placebos im medizinischen Alltag demnach für ethisch durchaus vertretbar. Allerdings gelten dafür einige Voraussetzungen und rechtliche Rahmenbedingungen.
Dazu gehöre, dass es für die Erkrankung keine geprüfte wirksame Pharmakotherapie gibt. Die Beschwerden des Patienten müssten relativ gering sein, und der Patient den ausdrücklichen Wunsch haben, behandelt zu werden. Außerdem müsse Aussicht auf Erfolg einer Placebobehandlung bei dieser Erkrankung bestehen.
Unzulässig sei die Placebotherapie, wenn grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse der Medizin außer Acht gelassen werden. Der Arzt sei verpflichtet, die Behandlungsmethode zu wählen, die den besten Heilerfolg verspricht und deren Nebenwirkungen am wenigsten schaden. Das gelte auch für den Einsatz von Placebos.
Besondere Bedeutung hat in dieser Situation den Experten zufolge das Arzt-Patienten-Gespräch. Der Patient sollte „über den erwarteten Nutzen und die Risiken informiert“ werden. Der Arzt könne ihm auch mitteilen, „dass die verabreichte Substanz (Placebo) dazu führen kann, dass körpereigene Mechanismen angestoßen werden, die einen biologischen Effekt haben“. Rechtlich unklar ist, ob die Behandlung zulässig ist, wenn der Arzt den Patienten unter anderem deshalb nicht über den Placeboeinsatz aufklärt, um die beabsichtige Wirkung des Placebo nicht zu gefährden.
Bei der Gabe eines Scheinmedikaments spiele darüber hinaus immer auch der Einfluss des Behandlungsumfelds, die Einstellung und Erwartungshaltung der Beteiligten sowie sogar Farbe und Darreichungsform des Placebo eine Rolle. Allerdings könne es auch zu „Noceboeffekten“ kommen: Aufgrund der Erwartung und Erfahrung des Patienten verschlechtert sich im Zuge der Therapie dessen Befindlichkeit.
Fachleute unterscheiden im übrigen zwischen echten oder reinen Placebos und Pseudo- oder unreinen Placebos. Erstere enthalten nur eine pharmakologisch unwirksame Substanz und eventuell Hilfsstoffe. Letztere enthalten zwar Wirkstoffe, die aber therapeutisch zu niedrig dosiert sind oder aber bei der behandelten Krankheit nicht anschlagen.
Literatur:
Die Publikation „Placebo in der Medizin“, herausgegeben von der Bundesärztekammer erscheint im Deutscher Ärzte-Verlag. ISBN-13: 978-3-7691-3491-9