Gelähmter macht erste Schritte nach OP - Forscher skeptisch

London (dpa) - Ein Querschnittsgelähmter kann nach einer Zellverpflanzung von der Nase in den Rücken wieder erste Schritte machen. Nachdem bei einem Messerangriff das Rückenmark des Polen durchtrennt worden war, hatte er kein Gefühl mehr in den Beinen und war von der Hüfte abwärts an bewegungsunfähig.

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Polnische Chirurgen verpflanzten bestimmte Stützzellen des Geruchssinns (olfaktorische Hüllzellen) in seine Wirbelsäule. Sie wirkten nach den Worten des britischen Forschers Geoffrey Raisman vom Londoner University College als „Brücke“, über die das durchtrennte Gewebe zusammenwachsen konnte. Mehrere Experten warnten eindringlich vor verfrühten Hoffnungen.

Die Bilder von einem Querschnittsgelähmten, der sich mühsam, aber selbstständig mit Hilfe von Stützen fortbewegt, lösten am Dienstag Enthusiasmus aus. „Der Patient spürt Bewegung der Extremitäten und der Gelenke“ sagte Neurochirurg Pawel Tabakow von der Universitätsklinik Wroclaw (Breslau). „Mit Hilfe spezieller Orthesen (medizinische Hilfsmittel für Gliedmaßen) kann er aus dem Rollstuhl aufstehen und 10 bis 15 Meter gehen.“ Bei seiner Ankunft habe der Patient keinerlei Empfindung in den Beinen gehabt.

Mehrere Experten sprachen jedoch von einem Einzelfall. Man wisse erst, wie gut die Methode funktioniere, wenn es weitere Studien dazu gebe, sagte Robin Franklin von der Universität Cambridge der Zeitung „Times“. Er hatte die Methode an Dackeln getestet.

Jeder berichtete Fortschritt eines Eingriffs am Rückenmark sei zwar eine gute Nachricht, sagt Frank Rainer Abel, Vorsitzender der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegie (DMGP). Doch „eine Zauberformel gegen Querschnittslähmungen haben die Kollegen nicht gefunden.“ Weil es viele unterschiedliche Ausprägungen von Querschnittslähmungen gebe, sei es schwierig, das eine Erfolgsrezept zu finden. Außerdem mahnt der Mediziner: „Eine solche Operation am Rückenmark birgt starke Risiken. Der Patient könnte dabei mögliche Restfunktionen verlieren.“

Simone Di Giovanni vom Imperial College London kritisierte, dass es keinen wissenschaftlichen Beweis gebe, dass die verpflanzten Zellen für die Fortschritte des Patienten verantwortlich seien. Die bisherige Forschung habe sehr strittige Ergebnisse hervorgebracht. „Ich erwarte bestenfalls, dass es beim klinischen Erfolg große Unterschiede geben wird, weil das Gewebe, das sie reparieren wollen, so komplex ist und das Ausmaß des Schadens bei jedem Patienten anders ist.“

Die Bedingungen seien bei dem Patienten aus Bulgarien besonders gut gewesen, da der Schnitt glatt gewesen sei und der Spalt nur acht Millimeter breit, sagte Raisman, der die Methode mit seinem Team entwickelt hatte. Details dazu veröffentlichen die Wissenschaftler im US-Fachjournal „Cell Transplantation“.

Entscheidend sei, dass die Nervenfasern in der Nase das ganze Leben lang wachsen und sich regenerieren könnten, erklärte Raisman dem Sender BBC. „Das Konzept war, etwas aus dieser Region, der Nase, zu nehmen, und diese Zellen in eine Region zu verpflanzen, in der sich die Fasern nicht erneuerten - das ist das Rückenmark.“

Dass der Patient nun wieder Gefühl in den Beinen habe und mit Stützen gehen und sogar Autofahren könne, nannte Raisman „beeindruckender, als dass die Menschen auf dem Mond herumlaufen“. Er glaube, dass diese Methode letztlich die Prognose für Menschen mit Behinderung durch Rückenmarkverletzungen auf historische Art bessern könne.

Ob Einzelfall oder medizinischer Durchbruch, der betroffene Patient spricht jedenfalls überglücklich über seine Fortschritte, für die er ausdauernd trainiert hat. „Wenn man fast die Hälfte seine Körpers nicht spüren kann, fühlt man sich hilflos“, sagte der ehemalige Feuerwehrmann der BBC, „aber wenn es zurück ist, dann ist es, als würde man neu geboren werden“.