Gesund durch den Winter: Abhärten macht fit
Mainz (dpa/tmn) - Im Winter sind viele Menschen anfällig für grippale Infekte. Die Naturmedizin schwört auf das Prinzip der Abhärtung, jetzt belegen auch neue Untersuchungen: Der gezielte Einsatz von physikalischen Reizen kann das Immunsystem trainieren und stärken.
Drinnen ist es kuschelig warm, die Heizung hält konstante Temperaturen. Das Auto ist klimatisiert, und auch am Arbeitsplatz ist eine angenehme Raumtemperatur. Trotzdem sind derzeit viele Menschen erkältet. „Der Körper wird verwöhnt“, erklärt Ulrich Betz, Leiter des Instituts für Physikalische Therapie, Prävention und Rehabilitation an der Universitätsklinik Mainz. „Die fehlende Auseinandersetzung mit Naturreizen schwächt auf Dauer das Immunsystem.“ Wer sich aber abhärtet, kann sein Immunsystem stärken. Betz vergleicht das Prinzip der Abhärtung mit sportlichem Training: Je regelmäßiger der Körper Kältereizen ausgesetzt wird, desto unempfindlicher wird er. Es setzt Gewöhnung ein.
Schon im 18. Jahrhundert taucht der Begriff der Abhärtung in der naturheilkundlichen Literatur auf. Der Naturwissenschaftler und Arzt Johann Georg Krünitz (1728-1796) definiert die „Leibes-Abhärtung“ als „die Gewöhnung des Körpers, den Eindrücken der Witterung und andern Beschwerden widerstehen zu können, oder solche nicht zu empfinden.“ Luft- und Sonnenbaden, kalte Duschen und Güsse, Barfußgehen und Saunieren - die diversen Methoden der körperlichen Stärkung entwickeln sich von England bis zur Schweiz und finden in vielfältiger Weise Zugang zur modernen Naturheilkunde. In Deutschland sind der Wasserdoktor Vincenz Prießnitz und der bayerische Priester Sebastian Kneipp die bekanntesten Vertreter.
Doch warum macht die körperliche Reizung gesünder? „Für den Körper sind die Wärme- und Kälteeinflüsse zu allererst Stress“, erklärt Rainer Brenke, Chefarzt der Abteilung für Naturheilverfahren an der Hufeland-Klinik in Bad Ems. Registriert der Körper den Temperaturunterschied, versucht er sofort zu regulieren. „Und das kurbelt die Durchblutung an, der ganze Körper wird einmal in Schwung gebracht.“ Warum dieser Effekt zu einem stärkeren Immunsystem führt, ist noch unklar. „Allerdings deuten erste wissenschaftliche Ergebnisse darauf hin, dass regelmäßige Kaltwasseranwendungen die Zahl der weißen Blutkörperchen erhöhen“, sagt Betz.
Erstes Prinzip einer erfolgreichen „Leibes-Stärkung“ ist Regelmäßigkeit: „Der Körper gewöhnt sich nur durch wiederholte und langfristige Maßnahmen“, sagt Wolfgang May, Facharzt für physikalische Medizin aus Schwangau. Als zweites Prinzip gilt: nur in gesundem Zustand abhärten. Und als drittes Prinzip nennt Brenke: „Nicht übertreiben, sondern langsam anfangen und auch langsam steigern.“
Möglichkeiten zum Abhärten gibt es viele. Einfach und effektiv ist die kalte Dusche am Morgen. Mit der Brause wird erst über Beine und Arme, schließlich über den Rumpf Wasser gespült. Schluss ist, wenn die Kälte schmerzt. Betz macht Warmduschern Mut: „Die Empfindlichkeit lässt von Tag zu Tag nach.“ Anschließend ist der Körper angenehm durchblutet, man ist wach und fühlt sich frisch.
Alternativ kann es morgens mit der ganzen Familie barfuß in den Garten gehen. „Beim Tau- oder Schneetreten ist aber unbedingt darauf zu achten, dass die Füße vorher warm sind und danach auch sofort wieder erwärmt werden“, sagt May. Für Wärme sorgen dicke Socken oder ein warmes, knöchelhohes Fußbad. Auch kleine Kinder dürfen mitmachen, sagt May, der seine Abhärtungsstrategien auch in Kindergärten vorstellt.
Nicht nur die Anfälligkeit für Erkältungen und grippale Infekte sinkt, die Reiz-Therapie wirkt auch bei Bluthochdruck, senkt nervöse Störungen, stärkt Gefäße und das Herz-Kreislauf-System. „Wassertreten nach Kneipp kräftigt die Venen und hilft bei Krampfadern“, sagt May. Der wöchentliche Besuch der Sauna verbessert die Lungen- und Hautfunktion. Wichtig ist aber auch hier: „Auf Hitze muss Kälte folgen, sonst kommt der Wechselreiz nicht zustande“, erklärt Brenke.
Anfangen kann man mit der Abhärtung jederzeit. „So vielfältig wie die Anwendungsmöglichkeiten sind auch die möglichen gesundheitlichen Aspekte“, sagt Brenke. Er nennt seine eigene Erfahrung: „Man fühlt sich sofort besser in der eigenen Haut.“