„Global essen“: Woher die Tiefkühlpizza kommt
Wien (dpa/tmn) - Globalisierung findet auch im heimischen Backofen statt: Die Tiefkühlpizza eines deutschen Herstellers kann Zutaten aus Italien, Mexiko und China enthalten. Für die Hersteller ist das ein normaler Vorgang, Verbraucherschützer warnen vor den Folgen.
Woher kommt meine Tiefkühlpizza? Sicher ist nur eins: An dem Ort, der auf der Verpackung steht, wurde sie nur zusammengebaut. Die Einzelteile - Teig, Tomatensoße, Belag und die Gewürze - haben oft eine halbe Weltreise hinter sich, bevor sie im Supermarkt landen. Die Nahrungsmittelproduktion ist längst weltweit vernetzt: Nach einem Report der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) wurden 2005 weltweit Lebensmittel im Wert von rund 600 Milliarden US-Dollar gehandelt.
„Die Produktion unseres Essens ist eine globale Industrie“, sagt auch Paul Trummer. Der österreichische Journalist und Autor hat für sein Buch „Pizza Globale“ den Entstehungsprozess einer Salami-Tiefkühlpizza quer durch die Welt begleitet. Der beginnt mit dem Weizen, der längst überall auf der Welt angebaut wird, zum Beispiel in Uganda oder Indien, und in Deutschland gemahlen wird. Dazu kommen Tomaten und Oliven aus Italien, Oregano aus Mexiko und Knoblauch aus China. Die Milch für den Käse und das Fleisch kommen meist aus Deutschland - oder zumindest aus den Nachbarländern.
Möglich wird der globale Handel durch politische Abkommen und vor allem die Containerschifffahrt, die weltweiten Warenverkehr günstig, schnell und planbar macht: So lohnt sich für die Produzenten auch der Import von Knoblauch aus China. Und niedrige Preise spielen im Lebensmittelhandel eine große Rolle, sagt Trummer: „Konsumenten geben heute sehr viel weniger Geld für Lebensmittel aus als vor 20 Jahren.“ Das führe gerade in Deutschland mit seinen vielen Discountern zu einem gnadenlosen Preiskampf.
Das Problem an diesem Preiskampf ist für Trummer, dass er auf dem Rücken anderer ausgetragen wird: „Der Preis für Fertiggerichte im Supermarkt ist nicht gerechtfertigt, weil viele Kosten darin nicht enthalten sind.“ Die trügen stattdessen zum Beispiel Erntehelfer in Italien, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen arbeiten müssten. Auch importiertes Fleisch sei oft nur deshalb so günstig, weil die Vorschriften zur Tierhaltung in den Herkunftsländern weniger streng sind als in Deutschland.
Auch Verbraucherschützer sehen das „globale Essen“ kritisch - besonders Klima und Umwelt leiden nach ihren Angaben unter dem weltweiten Nahrungsmitteltransport. Zudem beklagen sie mangelnde Transparenz: „Selbst für den aufgeklärten Verbraucher ist oft nicht nachvollziehbar, woher das Essen kommt“, sagt Silke Schwartau von der Verbraucherzentrale Hamburg. Klare Regeln gebe es nicht, „und seitens der Hersteller ist da viel Trickserei dabei.“
Besonders groß sei das Problem bei den Handelsmarken großer Discounter und Supermarktketten, da es dort meist keine Hinweise auf Hersteller und Herkunftsort gebe. Verbraucherschützer fordern deshalb verpflichtende Herkunftsangaben auf Lebensmitteln. Für manche Produkte wie Eier, Fleisch und Milch gibt es das schon. Aber auch bei Fertignahrung sollten Konsumenten nach dem Wunsch der Verbraucherschützer in Zukunft immer wissen, wo das Essen herkommt - zumindest bei den drei Hauptzutaten. „Für viele Verbraucher wird die Herkunft des Essens immer wichtiger“, sagt Schwartau.
Das wissen auch die Händler, sagt Trummer: „Die Hersteller haben Biosiegel und regionale Herkunft mittlerweile als Markeninstrument erkannt.“ Deshalb sei auch hier Vorsicht geboten. Eine Aussage wie „nach altem Hausrezept“ sage noch nichts aus. Wer beim Kauf von regionalen oder fair gehandelten Lebensmitteln auf Nummer sicher gehen will, kann sich zum Beispiel online bei der Verbraucher Initiative darüber informieren, welche Siegel und Symbole auf Lebensmitteln unabhängig und damit vertrauenswürdig sind.
Vertreter der Ernährungsindustrie halten die Kritik am globalen Lebensmittelhandel für ungerechtfertigt. „In jedem anderen Wirtschaftszweig ist das ein völlig normaler Vorgang“, sagt Sabine Eichner Lisboa von der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie in Berlin. „Bei Autos regt sich auch niemand über die weltweite Produktion auf.“ Zudem sei nicht nur der Preis entscheidend: „Nicht jeder Zulieferer kann das gesuchte Produkt in der benötigten Menge und Qualität liefern.“
Auch die Forderung nach einer verpflichtenden Herkunftsangabe sieht sie kritisch: „Das ist aus verschiedenen Gründen nicht praktikabel.“ Beispielsweise verändere sich die Herkunft von verschiedenen Zutaten je nach Jahreszeit und Wirtschaftslage immer wieder - und nicht jede Zutat komme nur aus einem Land: „Apfelsaft wird oft auf verschiedenen Konzentraten vermischt. Da hätten sie dann mehrere verschiedene Länder auf der Verpackung.“ Die Frage ist also, wie viel Informationen der Verbraucher wirklich braucht - und wie viele er überhaupt haben will.
Literatur:
Trummer, Paul: Pizza Globale. Ein Lieblingsessen erklärt die Weltwirtschaft, Econ, 336 S., 17,95 Euro, ISBN-13 978-3-430-20100-1