Grippe-Welle: Nur jeder Vierte ist geimpft
Berlin (dpa) - Schniefende Menschen in der U-Bahn, hustende Kinder in der Schule - in Deutschland herrscht Erkältungszeit. Eine Impfung kann zumindest der echten Virusgrippe (Influenza) vorbeugen, doch die meisten Menschen in Deutschland verzichten auch in dieser Saison auf einen Influenza-Schutz.
Zwei Drittel (67 Prozent) lassen sich nicht impfen, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Nachrichtenagentur dpa. 26 Prozent der 1029 repräsentativ Befragten ab 16 Jahren haben sich die vorbeugende Spritze bereits geben lassen, 6 Prozent wollen dies in diesem Winter noch tun. Damit liege der Anteil der Geimpften etwa so hoch wie in den Vorjahren, schätzt das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.
Die Ständige Impfkommission an dem Institut empfiehlt die Grippe-Impfung auch nicht pauschal jedem, aber besonders über 60-Jährigen, Schwangeren und chronisch Kranken. Auch medizinisches Personal sollte sich unbedingt schützen lassen, mahnt Ole Wichmann vom Fachgebiet Impfprävention am RKI. Allerdings sei die Impfquote bei Ärzten, Krankenschwestern und Co. „katastrophal“. „In den Risikogruppen wird die Grippe unterschätzt“, klagt Wichmann.
Zum Impfen allgemein haben die Deutschen offensichtlich ein gespaltenes Verhältnis: Gegen Grippe lässt sich die Mehrheit zwar nicht immunisieren, eine allgemeine Impfpflicht bei bestimmten Krankheiten würden aber fast ebenso viele begrüßen. 61 Prozent der Befragten wären dafür, nur 30 Prozent lehnen dies ab. Groß ist die Zustimmung unter anderem in den ostdeutschen Bundesländern, in denen viele Menschen eine Impfpflicht noch aus der DDR-Zeit kennen. Gegenwärtig gibt es keine allgemeine Pflichtimpfung für Bürger in Deutschland.
Trotz der Zustimmung zu einer Impfpflicht sorgen sich viele um Nebenwirkungen. 42 Prozent der Befragten fürchten sie, rund die Hälfte (53 Prozent) hat keine Angst davor. RKI-Experte Wichmannn zufolge ist zumindest der Grippeimpfstoff sehr gut verträglich. „Wir haben keine Bedenken, dass es wesentliche Nebenwirkungen gibt.“
Eine Besonderheit der aktuellen Grippewelle sei, dass es verstärkt schwere Verläufe bei Kindern und jungen Menschen gebe, sagt RKI- Sprecherin Susanne Glasmacher. Das liegt an der Rückkehr der Schweinegrippe, die für etwa drei Viertel der aktuellen Influenzafälle verantwortlich ist und besonders jungen Menschen zu schaffen macht.
Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte hat deshalb dazu aufgerufen, gleich den gesamten Nachwuchs zu immunisieren - sofern er nicht im vergangenen Winter an Schweinegrippe erkrankt ist oder dagegen geimpft wurde. In dieser Saison deckt der normale Grippe- Impfstoff auch das Schweinegrippevirus H1N1 ab.
Zum Schutz vor Schweinegrippe hält RKI-Experte Wichmann eine erneute Immunisierung sogar auch dann für sinnvoll, wenn jemand bereits in der vergangenen Saison eine H1N1-Impfung bekommen hat. „Wir haben Anhaltspunkte dafür, dass der Impfschutz innerhalb von einem Jahr abfällt.“
In einer Grippesaison sterben in Deutschland im Durchschnitt 8 000 bis 11 000 Menschen in Folge der Erkrankung, schätzen Experten. Die Zahl schwankt jedoch erheblich. So kann es in einer milden Saison so gut wie keine Todesfälle geben, in einer starken Saison dagegen 30 000. In der Regel sind Ältere stärker betroffen als Jüngere. Das ist beim Schweingrippevirus jedoch umgekehrt. Ärzte vermuten, dass die über 60-Jährigen vor längerer Zeit bereits mit einer Variante des aktuellen H1N1-Virus gerungen haben und deshalb seltener daran erkranken.
Diese Entwicklung erwarten die Fachleute auch im Rest der Bevölkerung. Da immer mehr Leute mit dem H1N1-Virus in Kontakt kommen, könnte irgendwann ein Großteil der Deutschen dagegen immun sein, erläutert Wichmann. „Dann wird es nicht mehr zu einem großen Ausbruch kommen.“