Handy statt Tabak: Mehr Jugendlichen droht Internetsucht

Berlin (dpa) - Und ewig lockt das Smartphone: Eltern nehmen eine ausufernde Internetnutzung von Jugendlichen aus Sicht eines Suchtforschers noch zu selten als Problem wahr. In Berlin kommen heute etwa 600 Suchtexperten zum Deutschen Suchtkongress zusdammen.

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„Man muss das Bewusstsein stärken, dass Online-Spiele und soziale Netzwerke eine hohe Bindungskraft haben können. Jugendliche kommen immer früher in Kontakt mit einem potenziell abhängig machenden Verhalten“, sagte Professor Falk Kiefer von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie zum Auftakt des von ihm geleiteten Deutschen Suchtkongresses.

Als internetabhängig gelten nach einer maßgeblichen Studie aus dem Jahr 2011 mehr als 560 000 Menschen hierzulande. Bei den 14- bis 16-Jährigen sind demnach 4 Prozent betroffen, Mädchen etwas häufiger als Jungs. Eine steigende Tendenz wird angenommen.

Bislang ist Internetsucht aber nicht offiziell von den Kostenträgern als Krankheit anerkannt. Unter anderem die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) betont aber schon länger, sie halte die Forderung nach einer einheitlichen Diagnose für berechtigt.

„Je früher internetbasierte Spiele und Medien für Jugendliche verfügbar sind und schon ins Kinderzimmer einziehen, desto mehr ist zu erwarten, dass die Zahlen weiter zunehmen“, erläuterte Kiefer. Da es keine Normen für Internetnutzung gebe, herrsche bei Eltern große Unsicherheit.

Die Kriterien für Internetsucht ähneln denen einer Alkohol- oder Drogensucht. Ausschlaggebend ist aber nicht die Zeit vor dem Bildschirm: Bei Abhängigen treten starke negative Konsequenzen durch Online-Spiele oder das Surfen in sozialen Netzwerken auf, die sie wie angefixt in Kauf nehmen oder ausblenden. Betroffene lassen zum Beispiel in der Schule nach, ziehen sich von Familie und Freunden zurück und verlieren die Kontrolle, wie Falk Kiefer erläutert. „Es funktioniert meist nicht, nach einer Stunde den Rechner wieder auszumachen.“

Anders als bei Alkohol etwa fehlten aber Effekte wie Trunkenheit, die das Umfeld auf das Problem aufmerksam machen, beobachtet Kiefer. Entsprechend spät kämen Jugendliche und ihre Eltern in Beratungsstellen. Gerade Mädchen, die sich in sozialen Netzwerken verlieren, würden noch viel zu wenig erreicht.

Kiefer hofft darauf, dass sich mehr Betroffene im Zweifelsfall früh Hilfe suchen: „Man kann zeitweise ein problematisches Verhalten haben, aber es muss nicht in eine Sucht hineinlaufen. Es ist entscheidend, frühzeitig mit Betroffenen zu reden und Grenzen auszuhandeln.“ Wenn Jugendliche bemerkten, dass sie eigene Vorsätze wie eine gewisse Spieldauer pro Tag nicht einhalten können, sei das ein Ansatz, ins Gespräch zu kommen. Entscheidend sei, dass die Verhaltensänderung nicht verordnet, sondern nachvollziehbar und mit positiven Konsequenzen verbunden ist.

Internetsucht ist in diesem Jahr einer der Schwerpunkte des Suchtkongresses. Negative Trends beobachten die Experten laut einer Mitteilung auch bei illegalen Drogen. Rauchen sei bei Jugendlichen dafür heute weniger ein Problem. Etwa 20 Millionen Menschen in Deutschland sind laut Angaben süchtig - nach Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Drogen oder eben dem Internet.