Kartellamt in Sorge wegen Lebensmittelbranche

Bonn (dpa) - Knallhart verhandelt wird im Lebensmittelhandel, bevor das Preisschild am Regal hängt. Doch was, wenn 85 Prozent des Marktes von nur vier Supermarktketten beherrscht werden? Das Bundeskartellamt macht sich Sorgen um die Kräfteverteilung in der Branche.

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Aldi, Lidl, Edeka und Rewe - das Bundeskartellamt ist beunruhigt wegen der zunehmenden Marktmacht der „großen Vier“ am Lebensmittelmarkt. 85 Prozent des deutschen Absatzes halten die vier Firmen derzeit und expandieren weiter. Die Situation sei „besorgniserregend“, sagte Kartellamtschef Andreas Mundt am Mittwoch (24. September).

Denn je mehr die Handelsketten wachsen, desto schwächer wird in vielen Fällen die Position der Lebensmittelhersteller beim knallharten Feilschen um Preise und Rabatte. Wenn etwa Marktführer Edeka mit bis zu 30 Prozent Marktanteil mit dem Auslisten bestimmter Produkte droht, können manche Hersteller nur die Faust in der Tasche ballen - spätestens, wenn sie den einen Auftrag verloren haben und danach im Vorzimmer der anderen Handelskette stehen.

Missbrauch sieht die Wettbewerbsbehörde etwa nach der Übernahme der Plus-Filialen durch Edeka 2009. Danach habe der Marktführer zahlreiche Lebensmittelhersteller zu Nachverhandlungen aufgefordert und erhebliche sogenannte Hochzeitsrabatte verlangt, lautet der Vorwurf des Kartellamtes. Diesen Rabatten nach der Übernahme habe keine Leistung gegenübergestanden. Edeka wehrt sich gerichtlich gegen die Vorwürfe.

Drei Jahre lang hat das Bundeskartellamt die Marktmacht der Ketten und das Marktverhalten der Branche untersucht: Erst in ausgewählten Produktgruppen von Tiefkühlpizza über Kaffee, Ketchup bis zu Milch und Konserven, danach per Befragung von über 200 Lebensmittelherstellern und 21 Handelsunternehmen.

Zum Teil seien abenteuerliche Tricks für die Deklarierung von Extrazahlungen ans Licht gekommen. So seien Hersteller genötigt worden, sich an der Renovierung von Handelsfilialen finanziell zu beteiligen, berichtet das Kartellamt. „Synergie-“ oder „Hochzeitsboni“ seien verlangt worden; Hersteller hätten Händlern besonders lange Zahlungsziele - de facto zinsgünstige Kredite - einräumen müssen.

„Der Lebensmitteleinzelhandel ist hochkonzentriert. Die Marktstruktur droht sich noch weiter zu verschlechtern“, resümiert die Aufsichtsbehörde. Preisdruck des mächtigen Handels auf die Lieferanten sei eine zweischneidige Sache, mahnt der Kartellamtschef. Er könne zwar im Einzelfall für niedrigere Preise sorgen - falls die Rabatte weitergegeben werden - auf Dauer gehe das aber auf die Qualität der Produkte. Außerdem wachse die Abhängigkeit der Hersteller mit geringeren Einnahmen immer mehr.

Europaweit ist die Konzentration des Lebensmittelhandels ein großes Thema. Es gibt dazu eine „Task Force“, Anfang Oktober veröffentlicht die EU eine eigene Untersuchung. Diskutiert wird in Brüssel, ob eine Selbstregulierung reicht oder gesetzliche Schranken nötig sind. Das Bundeskartellamt hält dagegen das deutsche Wettbewerbsrecht für ausreichend. Bei den vier Großen würden wegen ihrer Marktmacht aber künftig besonders strenge Kriterien angelegt, kündigte Mundt an.