Kasseler Institut bietet Stottertherapie online an - Kasse zahlt
Kassel (dpa) - Für eine Therapie müssen stotternde Menschen oft weit fahren. Ein Institut aus Nordhessen hilft nun per Internet. Eine erste Krankenkasse übernimmt die Kosten.
Stotternde Menschen können künftig eine Therapie über das Internet machen. Das Institut der Kasseler Stottertherapie hat dafür ein Konzept entwickelt. „Nach unserer Therapie können die meisten Teilnehmer flüssig sprechen“, sagte Alexander Wolff von Gudenberg, der selbst von der Sprachstörung betroffen ist. Er ist Facharzt für Stimm- und Sprachstörungen und Gründer der Kasseler Stottertherapie. Betroffene, die zuvor in vielen Situationen kaum ein Wort stotterfrei über die Lippen gebracht hätten, hielten nun Vorträge, führten Verkaufsgespräche oder sprächen problemlos fremde Menschen an.
Vom Stottern sind nach Angaben der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe bundesweit rund 800 000 Menschen betroffen. Die Ursache ist nicht genau geklärt, verantwortlich sein könnten neurologische und genetische Einflüsse. Fünf von hundert Kindern sind nach Angaben der Techniker Krankenkasse (TK) davon betroffen, auch einer von hundert Erwachsenen stottert. 2013 wurde bei rund 540 TK-Versicherten in Hessen Stottern diagnostiziert, doch nur rund 30 Prozent der Patienten entschlossen sich zu einer Behandlung.
Bislang kommen stotternde Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet nach Kassel, um an einer 14-tägigen Intensivtherapie und anschließend an Wochenendkursen teilzunehmen. Krankenkassen übernehmen zwar die Kosten für die Therapie, nicht aber für die Fahrt und Unterkunft.
Dies fällt bei der Onlinetherapie nun weg, zudem sei die Hemmschwelle niedriger. „Die Patienten müssen nur noch einmal nach Kassel fahren zur Begutachtung, denn die Therapie ist nicht für jeden geeignet“, sagte TK-Sprecherin Julia Abb. Die anschließende zehn- bis zwölfmonatige Therapie läuft über ein spezielles Programm am Computer: Es gibt feste Termine für Webcam-Sitzungen in einer virtuellen Sprechstunde. „Aber auch Übungen, die man alleine machen kann“, betonte Abb. Der erste Kurs soll im Spätherbst starten. Zu den Kosten für die Therapie wollte sich die Krankenkasse nicht äußern.
Die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe wies darauf hin, dass praktische Übungen von Alltagssituationen außerhalb des Therapieraumes angstabbauend und isolationsmindernd seien. „Es ist wichtig, dass dies auch bei einer Teletherapie Anwendung finden kann“, betonte der BVSS-Vorsitzende Prof. Martin Sommer.
Auch die AOK Hessen bietet die Stottertherapie ihren Versicherten an, allerdings nicht das Online-Angebot. Dafür seien keine Verträge abgeschlossen worden, sagte ein AOK-Sprecher.
Die Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik befürwortet das Projekt. „Online-Therapie hört sich erst komisch an, aber es ist vor allem für junge Leute ganz attraktiv“, sagte die hessische Vorsitzende Karin Borgwald. Allerdings müsse bei den Patienten eine hohe Motivation vorhanden sein, um die Therapie über den langen Zeitraum durchzuhalten. „Aber die kommt meist schon durch den Leidensdruck“, betonte sie.