Klasse statt Masse - Landwirt züchtet seltene Wagyu-Rinder

Negenharrie (dpa) - Aus den Tieren entsteht eines der teuersten Lebensmittel der Welt. Mehrere hundert Euro kostet ein Kilo Filet vom Wagyu. Bundesweit gibt es nur wenige der besser als „Koberinder“ bekannten Tiere.

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Sie werden mit Musik, Massagen und Bier verwöhnt.

Akeni, Hiroshi und Sakura stehen vor dem Stall im kleinen Örtchen Negenharrie bei Kiel und beäugen die Besucher neugierig. Auf den ersten Blick sehen sie aus wie ganz normale Rinder. Mit für norddeutsche Ohren komisch klingenden Namen, zugegeben, aber normal. Doch der Kenner weiß, bei ihnen handelt es sich um Exemplare der teuersten Fleischrinder der Welt. Bis zu 600 Euro müssen Feinschmecker für ein Kilo Filetfleisch der Wagyus aus Holstein zahlen.

Bekannter ist diese besondere Rinderrasse unter dem Namen „Kobe-Rind“. Die Bezeichnung ist aber geschützt - so dürfen nur jene Tiere genannt werden, die in der japanischen Region Kobe leben. Bis heute ist es verboten, Tiere, Embryonen, Samen oder sogar Fleisch aus Japan zu exportieren.

Die Tiere, die außerhalb des Heimatlandes gezüchtet und verzehrt werden, stammen aus zwei Populationen in den USA und Australien, wie der Züchter Rüdiger Marquardt aus Negenharrie sagt. In dem einen Fall durften Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken in die USA ausgeführt werden. In dem anderen ist ein japanischer Bauer zu seiner Tochter nach Australien gezogen und hat erfolgreich geklagt, seine Wagyus nachholen zu dürfen, wie Marquardt sagt.

Über die Aufzucht von Kobe-Rindern gibt es viele Geschichten. Sie werden massiert, hören Musik, bekommen Bier zu trinken und nur das beste Futter serviert. Und einiges stimmt auch. Auch bei Marquardt im Stall läuft Musik - seine Kühe stehen auf Simon & Garfunkel. Zu fressen gibt es Bio-Heu mit vielen Kräutern oder saftiges Gras; an den Wänden des lichtdurchfluteten Stalls hängen automatische Massagebürsten.

Und Bier? Gibt es natürlich auch. „Das regt den Appetit an“, sagt Marquardt. Rund 30 Monate dauert ein Wagyu-Leben, etwa doppelt so lange wie das eines herkömmlichen Mastrindes. Dadurch und wegen des Futters erhalten die Tiere ihr unvergleichliches Fleisch, für das Feinschmecker viel Geld ausgeben.

Die besondere Marmorierung des Fleischs, das von feinen Fettbahnen durchzogen ist, macht es nach Ansicht von Fans zum Gesündesten und Schmackhaftesten überhaupt. Der Anteil an ungesättigten Fettsäuren sei genetisch bedingt höher, als bei anderen Fleischsorten, sagt Steffen Maak, „das ist schon mal nicht negativ“. Maak ist Leiter des Forschungsbereichs Muskelbiologie und Wachstum am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf bei Rostock und so etwas wie der wissenschaftliche Ansprechpartner für Wagyu-Züchter und -Halter in Deutschland.

Viele sind das nicht: Bundesweit gibt es nur 28 Züchter, die sich im Wagyu-Verband Deutschland zusammengeschlossen haben, wie dessen Vorsitzender Klaus Möbius sagt. Insgesamt gebe es zwischen Flensburg und Füssen etwa 100 bis 200 Zuchttiere. Rechne man die Masttiere hinzu, sind es ungefähr 400 bis 600 Wagyus. Genaue Zahlen gebe es nicht, sagt Möbius. Zum Vergleich: Eine einzige Wagyu-Herde, die ein großer Lebensmittelkonzern kürzlich in Argentinien aufgebaut hat, umfasst laut Marquardt 16 000 Tiere. Von einer kommerziellen Zucht im engeren Sinne, könne in Deutschland also kaum gesprochen werden, findet Maak.

Züchter Marquardt vermehrt seit rund fünf Jahren die teuren Rinder. Er ist eigenen Angaben zufolge mit 43 Zuchttieren der größte Züchter bundesweit. Er verkauft Samen, Embryonen und Zuchttiere. Und Fleisch von für die Zucht nicht geeigneten männlichen Tieren. Verbandschef Möbius hofft, dass es noch mehr Züchter und Halter in Deutschland werden. Potenzial sieht er auf jeden Fall. „Die Feinschmecker werden immer mehr.“ Und Marquardt bemerkt - auch durch die jüngsten Skandale - einen Trend hin zu bewussterer Ernährung. „Die Zahl der Menschen, die sagen, ich esse weniger Fleisch, dafür aber qualitativ hochwertigeres, nimmt zu.“

So richtig überzeugt haben die beiden Wagyu-Züchter ihre Kollegen noch nicht, obwohl Marquardt den Rinderhaltern der Umgebung ständig die Vorteile zu erklären versucht. Es müssten ja keine reinrassigen Tiere sein, eine Einkreuzung in Angus oder sogar Milchvieh bringe auch sehr gutes Fleisch und dürfe sogar als Wagyu-Fleisch verkauft werden, sagt er.

Den Markt haben auch die großen Handelsketten erkannt. Mittlerweile führen Konzerne wie Metro und Rewe Wagyu-Rindfleisch in ihren Premium-Sortimenten. In den USA ist günstigeres Fleisch aus Kreuzungen von Wagyu-Rindern und gewöhnlichen Rindern weit verbreitet. Genannt wird es wegen Distributionsweg und Preis: „Supermarkt-Wagyu“.