Koschere Weine sind etwas für Kenner
Deir Rafat (dpa/tmn) - Klebrig süß, schlechte Qualität - dieses Vorurteil gegenüber koscheren Weinen hat ausgedient. Weingenuss und koscher schließen sich nicht aus. Einige der nach jüdischen Speiseregeln hergestellten Tropfen bekamen bereits internationale Preise.
In seinem Weinkeller ist Kellermeister Sam Soroka meist nur Zuschauer. Dort führt ein Rabbiner das Regiment. Das israelische Weingut Mony Vineyard in Deir Rafat nahe Jerusalem ist bekannt für seine koscheren Weine - ihre Herstellung folgt strengen religiösen Riten und wird von einem Rabbi überwacht. „Etwa 90 Prozent aller israelischen Weine sind koscher“, sagt die israelische Weinexpertin Renée Salzmann. Koschere Tropfen, egal ob aus Israel oder anderen Anbauländern, sind in Deutschland allerdings noch immer ein Nischenprodukt.
Lange Zeit galt koscherer Wein aus Israel zwar als gut genug für religiöse Zwecke, genügte aber nur selten den Ansprüchen der Weinkenner. Doch seit die israelischen Weingüter ihre Winzer im Ausland ausbilden lassen und viele kleine und mittlere Betriebe entstanden sind, hat sich einiges grundlegend verändert. Für renommierte Weinkritiker gibt es keinen Widerspruch mehr zwischen koscher, trockenem Weingenuss und Qualität. „Völlig irrelevant“, urteilt der in Berlin ansässige, internationale Weinkenner Stuart Pigott. Koschere Weine aus Israel oder anderen Ländern haben inzwischen wie ein Cabernet Sauvignon 2009 von Mony Vineyard internationale Auszeichnungen gewonnen.
Nach Jahren des Experimentierens produziert man dort seit 2005 „Jájin kaschér“, wie koscherer Wein auf hebräisch heißt. Seit 2009 ist der aus Kanada stammende jüdische Winzer Sam Soroka im Unternehmen. Nicht zuletzt wegen seiner internationalen Reputation gilt der 48-Jährige als einer der erfahrensten Weinmacher Israels. Sobald aus den Trauben Wein werden soll, darf der Winzer zwar noch sagen, was zu tun ist, aber nichts mehr berühren. Die Oberhoheit hat nun ein Rabbiner. „Ich schaue ihm aber die ganze Zeit über die Schulter“, erklärt der versierte Weinmacher.
Die religiösen Speisegesetze, das „Kaschrut“, stellen hohe Anforderungen an koscheren Wein, wie Salzmann und Soroka erläutern. Der Wortstamm „koscher“ bedeutet im Hebräischen „für den Verzehr geeignet“. Die wichtigste Bedingung dafür ist eine den Geboten der Tora und des Talmud entsprechende Behandlung. Entscheidend ist, dass mit Beginn der Traubenpressung bis zur Abfüllung des Weins nur ein streng gläubiger männlicher Jude, also einer, der den Sabbat einhält, die Maische, Fässer, Tanks, Schläuche - kurz alles, was mit dem Wein in Kontakt kommt - berühren darf. Da in der Regel die Winzer auch in Israel keine strenggläubigen Juden sind, ist es nicht unüblich, dass sie den eigenen Wein erst dann wieder anfassen dürfen, wenn er in der Flasche, diese verkorkt und mit einer Kapsel versehen ist.
Trauben für koscheren Wein dürfen nicht von Rebstöcken stammen, die jünger als vier Jahre sind, und im siebten Jahr, dem sogenannten Sabbatjahr, darf nicht geerntet werden. Zwei Monate vor der Lese wird nicht mehr organisch gedüngt. Im Weinberg dürfen keine anderen Pflanzen wachsen, Mischkulturen sind nicht erlaubt. „Zusätze wie Enzyme, Bakterien oder Stoffe tierischen Ursprungs wie Gelatine sind beim Vinifizieren unzulässig“, ergänzt Soroka. Nur die Bakterien auf der Traubenschale bringen die Fermentation in Gang.
Auch muss ein koscherer Wein „mevuschal“ sein, das heißt abgekocht. „Dazu wurde er früher aufgekocht, heute wird meist nur pasteurisiert“, sagt Salzmann. Diese Vorschrift sei für orthodoxe Juden im Ausland sehr wichtig. Denn auch wenn ein Nichtjude ihn ausschenke, verliere der Wein seine koschere Qualität nicht.
Sind alle Vorschriften eingehalten, unterzeichnet der Rabbi das Kaschrut-Zertifikat - zu erkennen an zwei Buchstaben auf dem Etikett: „Ein großes K für Kaschrut und ein großes P für Passah“, erklärt Soroka. Denn bei dem jüdischen Frühlingsfest spielt Wein keine unwesentliche Rolle: Während des stundenlangen rituellen Mahls müssen vier Becher Wein als Symbol für Gottes Verheißungen getrunken werden.
Noch fristen Anbieter von koscherem Wein hierzulande ein Nischendasein. Ulrich Michael Lohse, Inhaber des jüdischen Weinhandels „Mezada“ in Hamburg, vertreibt ausschließlich koschere Tropfen: „Die meisten meiner nichtjüdischen Kunden wollen koschere Weine aus Israel, die jüdischen fragen größtenteils nach koscheren aus anderen Anbauländern. Israelische Weine kennen sie schon.“ Gleichzeitig sei der Handel ein Wagnis, der Bedarf zu gering. „Die überwältigende Mehrheit der Juden lebt hierzulande nicht koscher.“ Nur bei Feiern wie Hochzeiten werde Wert daraufgelegt, damit auch die streng religiösen Verwandten aus Israel mitschlemmen können.