Lebensmittel-Etiketten versprechen Qualität - doch sie täuschen oft
Berlin (dpa) - Können Kunden den Aufdrucken auf der Lebensmittelpackung glauben? Nach den Skandalen um Pferdefleisch und Bio-Eier wird die Kritik lauter. Dabei sorgen teils auch völlig legale Angaben für Unmut.
Eigentlich klingt es ganz einfach, was Lebensmittel-Packungen in den Regalen der Supermärkte angeht: Drin sein sollte, was draufsteht. Und nur was draufsteht, sollte auch drin sein. Der Skandal um heimlich untergemischtes Pferdefleisch in Rindfleisch-Lasagne hat allerdings viele Kunden ins Zweifeln gebracht. Nun sind auch noch Bio-Eier unter Verdacht geraten, dass der Inhalt nicht hält, was der Aufdruck garantiert. Dabei sind Qualitätsversprechen und Siegel auch ein Argument, mehr zu bezahlen. Verbraucherschützer fordern seit langem mehr Klarheit auf Etiketten und mehr Kontrollen.
„Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass drin ist, was drauf steht - auch bei Bio-Waren“, mahnte Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) mit Blick auf den jüngsten Fall. Doch auch jenseits krimineller Betrügereien ist bei manchen Kunden schon ziemliche Verunsicherung aufgekommen. „Viele Verbraucher fühlen sich durch die Aufmachung von Lebensmitteln getäuscht“, sagte Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) kürzlich bei einer Zwischenbilanz des eigenen Portals „Lebensmittelklarheit“. In dem Internet-Angebot, bei dem Kunden Zweifelsfälle melden können, ging es besonders oft um Zutaten und Zusatzstoffe.
Dabei ist vieles gesetzlich geregelt - angesichts des europäischen Binnenmarkts müssen verpflichtende Angaben EU-weit festgelegt werden. Auf die Packungen gehört unter anderem ein Verzeichnis der Zutaten in der Reihenfolge der enthaltenen Menge. Ist Fleisch im Produkt, muss die Tierart genannt werden. Wenn es sogar besonders hervorgehoben ist wie in „Rindfleisch-Lasagne“ oder durch eine Abbildung auf dem Karton, muss auch die Menge in Prozent in die Liste.
Allerdings ist Lebensmittel nicht gleich Lebensmittel. So muss als Spätfolge aus dem BSE-Skandal das Herkunftsland bei rohem Rindfleisch gleich in drei Dimensionen auf das Etikett: Geburtsort, Mastort und Schlachtort des Tieres. Geplant ist, dies auch auf Schweine-, Schaf-, Ziegen- und Geflügelfleisch auszuweiten. Für Fertigprodukte mit Fleisch gilt diese Pflicht aber nicht. Nach Kritik am Zögern auch der deutschen Regierung will Aigner hierbei nun in der EU aufs Tempo drücken.
Verbraucherschützer fordern eine solche Ausweitung etwa auch bei Eiern. Roh im Karton ist am aufgedruckten Code unter anderem die Haltungsform zu erkennen, zum Beispiel 0 für ökologische Erzeugung oder 2 für Bodenhaltung. Werden Eier mitverarbeitet wie in Nudeln oder Gebäck, müsse diese Angabe aber weiter nicht auf die Packung, moniert die Organisation Foodwatch und fordert: „Der Kunde wird nur dann zum König, wenn er die notwendigen Informationen über ein Produkt erhält, um die Qualität beurteilen zu können.“
Dabei sorgt auch manches für Ärger, was rechtlich völlig korrekt ist. So darf die Bezeichnung „Kalbfleisch-Leberwurst“ schon aufs Etikett, wenn mindestens 15 Prozent Kalbfleisch im Fleischanteil enthalten ist. Die Verbraucherzentralen mahnen deshalb, direkt auf der Vorderseite der Packung anzugeben, dass die Wurst mehr Schweine- als Kalbfleisch enthält. „Wir brauchen ein Klarheitsgebot bei der Kennzeichnung von Fleisch und Wurst“, argumentiert vzbv-Chef Billen. Kritisch gesehen wird inzwischen selbst in der Branche, wenn Bilder auf der Packung eine Idylle nahelegen, die mit den Produktionsweisen der modernen Landwirtschaft nicht mehr viel zu tun hat.
Klarheit fördern sollen zwei Initiativen, bei denen Unternehmen freiwillig mitmachen können. In bundesweit 20 Geschäften lässt das Verbraucherministerium seit einigen Wochen ein „Regionalfenster“ auf der Packung testen. Das blaue Logo zeigt an, woher die wichtigsten Zutaten stammen und wo sie verarbeitet wurden. Gestartet ist zudem ein neues Siegel des Tierschutzbunds, das für hohe Haltungsstandards bei der Fleischproduktion steht. Verbraucherschützer fordern indes gesetzliche Regeln fürs Regionale. Doch gegen kriminelle Energie hilft auch eine Kennzeichnung des Herkunftslands nicht, wie Aigner konstatierte - den Pferdefleisch-Skandal hätte das nicht verhindert.