Liberia erhält experimentelles Ebola-Mittel
Genf/Madrid (dpa) - Im zähen Kampf gegen Ebola sollen bald auch in Afrika kaum erprobte Medikamente eingesetzt werden. Dieser Schritt sei ethisch vertretbar, entschied die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nach Beratungen mit Medizin-Ethikern.
Mehrere experimentelle Wirkstoffe gäben Anlass zur Hoffnung, sagte die stellvertretende WHO-Generalsekretärin Marie-Paule Kieny. Liberia hatte bereits am Morgen angekündigt, das Mittel „ZMapp“ einsetzen zu wollen. Es soll demnach zunächst bei zwei Ärzten verwendet werden.
Auch der Spanier Miguel Pajares war mit dem Präparat behandelt worden, das ihm jedoch nicht mehr helfen konnte. Der 75-jährige Geistliche starb am Dienstag im Carlos-III-Krankenhaus in Madrid.
„Das Virus hatte seinen ganzen Körper zerfressen“, hieß es aus der Klinik. Pajares habe aber vor der Ebola-Infektion schon an Typhus sowie an Nieren- und Herzkrankheiten gelitten. Sein Leichnam solle in einem versiegelten Sarg verbrannt werden, teilten die Madrider Behörden mit.
Pajares ist das erste bekannte europäische Opfer der Epidemie. Vor ihm hatten bereits zwei US-Amerikaner „ZMapp“ erhalten, deren Gesundheitszustand sich nach Behördenangaben immer weiter bessert. Ob dies tatsächlich auf das Präparat zurückgeht, ist allerdings nicht sicher. Auch mögliche Nebenwirkungen sind noch unklar.
„Das Expertengremium hat Konsens darüber erzielt, dass es ethisch ist, unter den besonderen Umständen dieses Ausbruchs sowie unter Einhaltung bestimmter Bedingungen unerprobte Mittel mit bislang unbekannten Nebenwirkungen als potenzielle Therapie oder zur Vorbeugung anzubieten“, hieß es von der WHO. Die Behandlung müsse in allen Aspekten transparent, der Patient auf Basis seriöser Information einverstanden sein.
Nun gelte es, eine Reihe einzelner Probleme zu lösen, sagte Kieny. Dafür werde die WHO in den kommenden Tagen weitere Beratungen mit Experten abhalten. Unter anderem müsse über Prioritäten für die Vergabe gesprochen werden, da die bislang erzeugten Wirkstoffmengen nicht für alle Patienten ausreichten.
Die in Westafrika mit Hunderten Mitarbeitern aktive Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) begrüßte die WHO-Entscheidung. Der Einsatz experimenteller Wirkstoffe allein werde die Epidemie aber nicht stoppen, wurde betont. Es sei weiter nötig, die Hilfe vor allem personell massiv aufzustocken. Das Vorhaben, rasch vielversprechende Therapieansätze auszuwählen, die Produktion der Mittel hochzufahren und den Einsatz im Epidemiegebiet vorzubereiten, habe aber „volle Unterstützung“.
Die Mehrheit der Experten und Wissenschaftler befürwortet die Verwendung noch nicht umfassend geprüfter Präparate in Westafrika. Es gibt aber auch mahnende Stimmen: „Man kann sicher nicht definitiv sagen, dass etwas, das bei Tieren funktioniert und sicher ist, auch bei Menschen funktioniert und sicher ist“, sagte der Virologe Jonathan Ball von der Universität Nottingham.
Es sei wichtig, die Verwendung der Präparate in klinische Studien einzubetten, um gesicherte Ergebnisse zu Nutzen und Nebenwirkungen zu bekommen, betonte sein Kollege Tom Solomon von der Universität Liverpool. Zugelassene Medikamente würden von Ärzten häufiger auf experimenteller Basis für andere Krankheiten als vorgesehen genutzt. Mit den Ebola-Wirkstoffen sei das aber nicht vergleichbar: „Der Unterschied ist, dass diese neuen Medikamente überhaupt noch nicht evaluiert sind“.
Das Vaccine Research Center aus Bethesda, einem Vorort von Washington, hat nach eigenen Angaben kürzlich „vielversprechende Versuche“ an Affen gemacht. Wenn grünes Licht von den zuständigen Behörden kommen, soll im Herbst ein klinischer Test starten. Jetzt gebe es Gespräche, diesen „Phase 1“ genannten Abschnitt zu beschleunigen.
Bis zum 9. August hatten die Behörden der betroffenen Länder der WHO 1800 bestätigte und Ebola-Verdachtfälle gemeldet, mehr als 1000 Tote waren registriert. Der Ebola-Verdacht bei einem deutschen Studenten in Ruanda bestätigte sich nicht. „Es gibt kein Ebola in Ruanda“, hieß es aus dem Gesundheitsministerium des ostafrikanischen Landes. Es handelte sich demnach - wie bei vielen Verdachtsfällen bisher - um Malaria.