Mit einem Trauma nach schwerer Krankheit umgehen

Oxford (dpa/tmn) — Ein Trauma verbindet man meist mit Menschen, die Naturkatastrophen oder Kriege überlebt oder Gewalt erfahren haben. Doch auch eine lebensbedrohliche Krankheit kann schlimme seelische Folgen nach sich ziehen.

Foto: dpa

Eigentlich schien alles überwunden. Doch wer eine schwere Krankheit überstanden hat, plagt sich später oft noch mit den seelischen Folgen. Aus heiterem Himmel kommen schreckliche Erinnerungen wieder hoch. Der Betroffene ist traumatisiert.

„Ein Trauma ist ein überwältigendes Ereignis, verbunden mit extremer Bedrohung wie Lebensgefahr oder Demütigung“, erklärt Prof. Anke Ehlers vom Institut für Experimentelle Psychologie an der Universität Oxford. „Etwa 20 bis 25 Prozent der Patienten haben nach einer lebensbedrohlichen Krankheit eine akute Belastungsreaktion“, schätzt Ulrike Schmidt von der Trauma-Ambulanz am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München. „Bei fünf Prozent der Betroffenen kann diese später in eine Posttraumatische Belastungsreaktion münden.“

Diese äußert sich zum Beispiel durch ein inneres Erstarren, eine innere Taubheit. Viele sind zudem schreckhaft, gereizt und aggressiv, sie können sich nur mit Mühe konzentrieren, schlafen schlecht und leiden unter Alpträumen. Häufig lösen bestimmte Laute oder Gerüche die Erinnerungen aus. „Diese Flashbacks sind so lebhaft, dass es den Betroffenen so vorkommt, als passiere dies alles im Hier und Jetzt. Sie haben wieder Todesangst oder andere starke Gefühle wie Schuldgefühle oder Scham“, erläutert Ehlers.

Prof. Christine Knaevelsrud von der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie in Freiburg weist darauf hin, dass solche Symptome direkt nach dem Ereignis eine normale Reaktion sind. Doch normalerweise ebben sie nach etwa vier Wochen ab. Die Symptome können aber auch erst nach Monaten auftreten. Es hilft nicht, sich zusammenzureißen. „Der Betroffene hat es erlebt. Er weiß, dass er überlebt hat, doch er fühlt es nicht“, sagt sie.

Der Grund dafür ist folgender: „Das Ereignis wird unvollständig verarbeitet und bruchstückartig im Gedächtnis gespeichert“, erklärt Ehlers. „Zudem sind die Erinnerungen an die schlimmsten Momente nur unvollständig verbunden mit den Erinnerungen an das, was vorher und hinterher geschah.“ Das Gedächtnis werde nicht aktualisiert und korrigiert mit dem Wissen, dass alles gut gegangen ist. Ein Auslöser reiche, um die gesamte Erinnerung hochzuholen, erklärt Knaevelsrud.

„Wenn die Störung nicht behandelt wird, stellen sich oft Folgeprobleme wie Depressionen ein“, sagt Ehlers. Lassen die Symptome nach vier Wochen nicht nach oder treten gravierende psychische Symptome auf, sollten Betroffene einen Termin bei einem Therapeuten mit traumapsychotherapeutischer Ausbildung vereinbaren.

Dieser arbeitet mit der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei muss der Patient sich dem aussetzen, was ihn in seinen Grundfesten erschüttert hat: Er spricht mit dem Therapeuten durch, was genau im Trauma geschehen ist und welche Momente heute noch schmerzhaft sind. „Wir aktualisieren die Momente des Traumas im Gedächtnis durch Verknüpfung mit dem, was der Patient aus heutiger Perspektive weiß oder im Gespräch mit dem Therapeuten herausgefunden hat“, erklärt Ehlers. „Wir helfen zudem, Auslöser wie bestimmte sensorische Reize - etwa Farben, Geräusche oder Gerüche - zu erkennen und zu sehen, dass die heutige Situation, in der der Auslöser auftritt, ganz anders ist als im Trauma“, sagt sie. Das Ergebnis: „Man erkennt nicht nur vom Verstand her, dass man es geschafft hat, sondern erfasst es emotional, fühlt es“, fügt Schmidt hinzu.