Einblick in die Arbeit Mit guter Nase und Biegeschwinger: Die Weinkontrolleure

Mainz (dpa) - Kritisch betrachtet Weinkontrolleur Markus Schmelzer die Flüssigkeit in seinem Glas. Der junge Weißwein hat eine gelb-bräunliche Farbe, das verheißt nichts Gutes.

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Der Kontrolleur nimmt einen Schluck, schlürft, schmeckt und spuckt den Wein in das Becken neben sich. Klares Urteil: Ein Oxidations-Ton. Statt nach Frucht schmeckt der Wein nach Sherry, wirkt matt und leer. Die ganze Charge darf nicht in den Handel.

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Schmelzer und seine Kollegen von der Weinkontrolle und Weinuntersuchung in Rheinland-Pfalz verfügen über hoch spezialisierte Geräte, die vom PH-Wert und Eisen-Wert über die Menge an Shikimi- und Ascorbinsäure bis hin zu Lebensmittelfarbstoffen zahlreiche Parameter im Wein feststellen können. Trotzdem beginnen sie ihre Arbeit mit einem Probeschluck. „Die Nase ist ein nicht zu unterschätzendes Analysegerät“, sagt Tomas Brzezina, Leiter der Weinüberwachung im Landesuntersuchungsamt.

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Die Kontrolleure erkennen zahlreiche Weinfehler, zum Beispiel Essignoten, Lösungsmitteltöne, den Fehlton Böckser, Buttertöne, Kork und den Mäuselton, wobei letztgenannter an Ammoniak und den Geruch von Mäuseharn erinnert. „Verkosten ist meistens harte Arbeit, es kommen keine Glücksgefühle auf. Da muss man halt durch“, sagt Schmelzer. Haben die Kontrolleure eine Idee, was nicht stimmen könnte, geht der Wein ins Labor.

In einem Biegeschwinger ermitteln die Lebensmittelchemiker zum Beispiel, welchen Alkoholgehalt der Wein aufweist. Mit Hilfe der Hochleistungsflüssigkeitschromatographie finden sie Sorbinsäure oder Apfelsäure. Eine der Maschinen im Institut für Lebensmittelchemie und Arzneimittelprüfung (ILCA) Mainz ist ursprünglich zur Untersuchung von Blutserum entwickelt worden. „Wir haben auf diese Maschine Weinparameter für uns applizieren lassen“, sagt die chemisch-technische Assistentin Ursula Beck.

Die Weinkontrolle spielt an Rhein, Mosel, Ahr und Nahe eine größere Rolle als anderswo. „Wir in Rheinland-Pfalz haben eine Vorreiterrolle innerhalb Deutschlands“, sagt Yorck Schäling, der im Wirtschaftsministerium in Mainz die Weinüberwachung führt. „Oft rufen Kollegen aus anderen Ländern an und fragen: Wie macht Ihr das eigentlich?“, erzählt er.

In Rheinland-Pfalz werden nicht nur etwa zwei Drittel des deutschen Weins produziert. Im Land stehen auch die großen Kellereien, die Umschlagplätze sind für Wein, Most, Schaumwein, Perlwein und Likörwein aus dem Ausland. 4045 Proben nahmen die Kontrolleure 2016, davon wurde jede elfte beanstandet. Allerdings geht es dabei meist nicht um den Mäuselton oder illegal zugesetztes Glycerin, das den Wein vollmundiger machen soll, sondern um fehlerhafte Etiketten. Insgesamt, meint Schmelzer, sei der Wein heute qualitativ viel besser als früher.

Die Prüfer finden auf den Flaschen immer wieder fiktive amtliche Prüfnummern, falsche Herkunftsangaben, unzutreffende Rebsortenangaben oder einen falschen Alkoholgehalt. Manchmal seien die rechtlichen Fragen kompliziert, erklärt der studierte Jurist Schäling. Zum Beispiel bei einem Weingut, das einst in einem Kloster residierte, nun aber umgezogen ist. „Kloster, Schloss und Stift sind geschützte Begriffe. Gibt es da einen Bestandsschutz? Oder ist das Betrug?“, fragt er.

Für die Untersuchungen fahren die Kontrolleure sowie Schäling kreuz und quer durchs Land. „Bei relevanten Winzern versuchen wir, einmal im Jahr aufzutauchen“, sagt Schmelzer. Gerade in den großen Kellereien seien sie ständig - wobei diese auch gute eigene Kontrollen hätten - bei Nebenerwerbswinzern schauten sie seltener vorbei. Die Aufgabe ist riesig: In Rheinland-Pfalz gibt es rund 10 000 Weinbaubetriebe. „Aber die Zahl der Betriebe, die echt schräg sind, ist sehr, sehr gering“, meint Schmelzer.

In diesem Jahr besonders im Blick haben die Prüfer den Grauburgunder. Die Sorte ist derzeit gefragt, weswegen sich der Fassweinpreis eher bei 1,50 Euro bewegt, wohingegen andere Weißweinsorten eher bei einem Euro liegen. Die Versuchung könnte also groß sein, andere Rebsorten als Grauburgunder zu verkaufen. Bei einem Besuch beim Weingut Manz im rheinhessischen Weinolsheim lässt Schmelzer alle anderen Weine links liegen. Er greift sich das Herbstbuch und geht akribisch die Grauburgunder-Eingänge durch. Bei Manz verteilt er lauter Häkchen.

Dann schaut sich Schmelzer an, ob die Menge in den großen Tanks mit dem Buch übereinstimmt. Und er füllt sich eine Flasche mit dem Jungwein ab, damit dieser im Labor untersucht werden kann. Der Kontrolleur ist zufrieden mit Dokumentation und Lagerung. Senior-Chef Eric Manz ordnet alles fein säuberlich in Ordnern ab und füttert täglich seine Computerprogramme. Quasi jährlich muss er sich auf neue Verordnungen einstellen. „Ich habe noch nie erlebt, dass es einfacher gemacht worden ist. Es ist immer komplizierter geworden“, sagt Manz.

Ministeriumsvertreter Schäling macht dafür vor allem die Europäische Union verantwortlich. „Das EU-Recht ist nicht immer konsistent“, sagt er. Oft gebe es Kompromisse der verschiedenen Weinbauländer im Süden und Norden des Kontinents. „Man denkt immer: Wein ist so ein tolles Produkt, das kann doch nicht so kompliziert sein. Aber wenn man das ganze Recht mal aneinanderreiht, kommt man auf so einen Regalmeter.“

Die meisten Weinbaubetriebe gäben ihr Bestes, sind sich die Kontrolleure sicher. Aber manchmal passierten Fehler, etwa als einmal Reste von Fischöl noch in einem Tank waren - Zehntausende Liter Wein mussten deswegen vernichtet werden, was zum Beispiel in Faultürmen von Kläranlagen passiert. Manchmal versuchten die Hersteller aber auch zu tricksen, etwa als einmal 50 000 Liter Spätburgunder laut den Prüfern kein Spätburgunder waren. Da hätten die Hersteller sich auf wissenschaftlich nicht belegbare Vermutungen berufen. „Die haben sich mit Händen und Füßen gewehrt“, erinnert sich Schäling.

Er und seine Kollegen vom Landesuntersuchungsamt verstehen sich nicht als diejenigen, die gegen Weinbauern arbeiten. Sie beraten sie auch, etwa bei der Gestaltung von Etiketten. Bei einem kleinen Fehler reiche vielleicht auch eine Belehrung, sagt Schmelzer. „Uns geht es neben dem Schutz der Verbraucher auch um den Schutz der Branche vor schwarzen Schafen.“