Na zdraví! - Braukunst in Tschechien
Pilsen (dpa/tmn) - Im Pro-Kopf-Verbrauch von Bier sind die Tschechen seit Jahren Weltmeister. Das allein macht sie jedoch noch nicht zu Experten. Ihr Land verfügt über eine alte Bierkultur. Tradition und neue Trends sorgen dafür, das Bier dort immer hoch im Kurs steht.
Wenn sich im tiefen, kalten Kellergewölbe unter der Stadt Pilsen der Bierhahn öffnet, dann fließt dort ein Getränk ins Glas, das ein weltweites Vorbild ist. 73 Prozent aller Biere werden nach Pilsener Brauart hergestellt, lautet die Angabe der Brauerei „Pilsner Urquell“. Doch auch Kleinstbrauereien sind in Tschechien aktiv und zeigen, was sich aus dem Gerstensaft alles machen lässt.
Die Produktion von Bier ist aufwendig, obwohl es nur wenige Grundzutaten gibt: Getreide - meist ist es Gerste -, Hopfen, Hefe und Wasser. In Tschechien legt man viel Wert auf den Hopfen. Nach der Ernte Ende August werden die Hopfendolden getrocknet und zu Mehl verarbeitet. Das wird in kleine Stücke, sogenannte Pellets, gepresst, luftdicht verpackt und zum größten Teil weltweit exportiert.
Malz ist etwas anspruchsloser: Es ist das Produkt aus gekeimten und gerösteten Gerstenkörnern und wird in breiten kupfernen Kesseln - den Maischpfannen - in warmes Wasser gegeben. Nun startet ein chemischer Vorgang, bei dem Zucker so freigesetzt wird, dass er später beim Gären zu Alkohol umgewandelt werden kann. Dann kommt der Hopfen dazu. Das ist ein wesentlicher Faktor für den Geschmack. „Um unterschiedliche Geschmacksrichtungen anbieten zu können, benutzen wir acht verschiedene Sorten Hopfen“, erklärt Sabina Záková, die in Litomerice die Minibrauerei „Labut“ betreibt.
Doch zwischen Maischpfanne und Ausschank des Bieres liegt noch die Gärung. Dafür braucht jedes Bier Hefe und Zeit. „Unser junges Bier lagert drei bis vier Wochen im Fass und wird dann unfiltriert ausgeschenkt“, erklärt Záková. Bier nach Pilsener Brauart gärt bei niedrigen Temperaturen um die zehn Grad. Die ideale Zapftemperatur liegt bei acht Grad. Fließt das fertige Bier in ein frisch ausgespültes Glas und hat dann eine daumendicke Schaumkrone, so ist das laut Záková perfekt. „Man erkennt die Qualität daran, dass der Bierschaum im Glas nach jedem Schluck einen neuen Rand bildet“, sagt sie.
Während die Deutschen laut Statistischem Bundesamt 99 Liter Bier pro Kopf im Jahr trinken, sind die Tschechen mit 145 Litern Weltmeister. Die Bier-Vielfalt ist sicher ein Grund dafür. Experimentiert wird zum Beispiel mit dem Stammwürze-Gehalt. Er bezeichnet den Anteil an den aus Malz und Hopfen gelösten Stoffen vor der Gärung. Je nach Brauart ist das wenig und ergibt ein leichtes Bier wie Pils oder aber mit hohem Stammwürze-Gehalt ein Starkbier.
In der kleinen Prager Klosterbrauerei Brevnov wird zum Beispiel Indian Pale Ale (IPA) und Imperial Stout hergestellt. Beide Biere sind dunkel, haben wenig Schaum und im Geschmack eine Schokoladen- und Kaffeenote. „Diese besonderen Sorten haben einen hohen Anteil an Stammwürze“, sagt Brauereileiter Petr Janik. Gemessen in der Einheit Grad Plato, steht der Stammwürze-Gehalt in Tschechien meist auf der Getränkekarte: Ein Brevnovsky-IPA hat mit 15 Grad ungefähr so viel wie ein deutsches Bockbier, das Stout mit 20 Grad liegt absolut an der Obergrenze und verleiht dem Bier einen leichten Likör-Charakter.
Das populärste Bier ist in Tschechien nach wie vor das Pils mit einer Stammwürze von rund 11 Grad Plato. „Das tschechische Pils, so wie es heute noch ausgeschenkt wird, ist viel näher am historischen Original als deutsche Pilsbiere“, sagt Wolfgang Stempfl vom Verband der Diplom-Biersommeliers. „Es ist vollmundiger und hat mehr Körper, mehr malzige Aromen.“ Auch die Farbe sei goldener, beschreibt er das Bier.
Verbraucher in Deutschland finden im gut sortierten Getränkemarkt in der Regel Marken wie Pilsner Urquell, Budweiser/Budvar, Staropramen oder Krusovice. Um frisch gezapftes tschechisches Bier zu genießen, rät Stempfl zu einem Ausflug ins Nachbarland. Nur dort fließt das Bier unfiltriert und ohne Pasteurisierung. Beides macht das Getränk zwar haltbarer, das geht aber nicht ohne Verlust an Aromen. Fehlt nur noch das tschechische „Prost“ zum Biergenuss: Na zdraví!