Neue Label: Sterne für die Geflügelmast
München (dpa) - Bei Geflügelfleisch gibt es ein neues Marktsegment. Zertifiziert mit diversen Labels, bieten Produzenten Hähnchen mit mehr Tierschutz - für ein bisschen mehr Geld. Bioverbänden ist das nicht genug.
Flaum, Staub und Ammoniak liegen in der Luft. 30 000 Hähnchen tummeln sich zwischen Sitzstangen und Strohballen, Sonnenlicht dringt durch schmale Fenster. So sieht Geflügelmast mit mehr Tierschutz bei Bauer Schemmer in Wurmannsquick in Bayern aus. Sein Stall ist mit einem Stern des Labels „Für mehr Tierschutz“ zertifiziert, das seit einem Jahr vom Deutschen Tierschutzbund vergeben wird.
„Wir wollten einer großen Menge Tieren direkt helfen,“ erklärt Tierschützerin Inke Drossé. „Dafür mussten wir aus der Nische rauskommen.“ Das blaue Label gibt es mit einem oder zwei Sternen auf dem blauem Grund, in einer Einstiegs- und einer Premiumstufe. Schon ein Stern bedeute deutlich mehr Tierwohl, so Drossé.
Bundeslandwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erkennt zur Jahresbilanz einen „bedeutenden Schritt für mehr Tierschutz im Stall“. Und für Tierschutzbund-Präsident Thomas Schröder hat das Label die Debatte über Veränderungen der Intensivhaltung beflügelt - auch, wenn sich das Logo in der breiten Masse noch nicht durchgesetzt habe. Jedes vertrauenswürdige Label brauche Zeit, sagt Friedrich am Mittwoch (15. Januar) kurz vor der weltgrößten Agrarmesse Grüne Woche (17. bis 26. Januar) in Berlin.
Tierschutz ist laut einer Umfrage im Auftrag des Ministeriums für viele Kunden eine wichtige Frage. 44 Prozent gaben an, beim Einkauf auf entsprechende Standards zu achten. 76 Prozent legen demnach Wert auf Tierschutzangaben auf der Packung. Befragt wurden den Angaben zufolge Ende November/Anfang Dezember 1000 Bundesbürger ab 18 Jahren.
Ein Stern im Logo, das heißt ein Drittel mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. Außerdem eine langsamer wachsende Rasse, Picksteine, Sitzstangen, Strohballen, Fenster und ein Wintergarten. 44 Hähnchenmäster bundesweit tragen das Label - alle beliefern den Geflügelgiganten Wiesenhof. Franz Schemmer war vor drei Jahren einer der ersten, die umstellten. „Man sieht einfach, dass die viel aktiver sind, und es ist auch ein schöneres Arbeiten“, sagt er. Im Kühlregal tragen seine Tiere später den rustikalen Namen „Privathof“.
Der Kompromiss zwischen Wirtschaft und Tierschutz, Gewissen und Geldbörse, er missfällt den Biobauern. „Ich kann mir keine artgerechte Haltung vorstellen ohne Auslauf, ohne Sonnenlicht“, sagt Jan Plagge, der Präsident des Bioland-Verbandes. „Hier wird der gute Name des Tierschutzbundes als Alibi für etwas hergegeben, was alles andere ist als artgerechte Tierhaltung.“ Das Label gaukle dem Verbraucher vor, dass mit der Einstiegsstufe schon alles in Ordnung sei.
„Wir verkaufen das, was der Verbraucher sich wünscht“, sagt Josef Bachmeier von Wiesenhof. „Wenn der Markt da ist, stellen wir auch auf 100 Prozent um.“ Knapp vier Prozent der Wiesenhof-Hähnchen leben derzeit in Sterne-Unterkünften, vor allem in Bayern. Es sollen 20 Prozent werden, dabei ist „Privathof“ noch nicht profitabel.
Die Frage ist, wie viel Verbraucher für Tierschutz tatsächlich mehr zahlen. Und wie viel mehr sie noch zu zahlen bereit sind. Der Wettlauf um das Segment in der Mitte hat begonnen. Konkurrenz Fricki bietet „FairMast“ - Hähnchen aus Holland, die ein Label des Vereins Vier Pfoten mit ähnlichen Kriterien tragen. Das Rewe-Eigenlabel „Pro Planet“ sieht nur 15 Prozent mehr Platz vor.
Für die Bauern kostet mehr Tierschutz Geld - ein Wintergarten wie bei Schemmer beläuft sich auf 19 000 Euro. Bernd Adleff, Vorsitzender des Landesverbands der Bayerischen Geflügelwirtschaft, erklärt, dass ein Mäster nur umstellen kann, wenn er dafür einen Großabnehmer hat. „Alle Mäster sind restlos begeistert und würden umsteigen, wenn sie könnten“, sagt Adleff. Doch im Handel herrsche ein harter Preiskampf.
Biologin Drossé sagt: „Natürlich wünsche ich mir als Tierschützer, dass alle zumindest auf die Einstiegsstufe umsteigen und möglichst viele auf die Premiumstufe.“ Letzteres scheitere vor allem an den Biobauern, dabei könnten sie die Bedingungen sofort oder leicht erfüllen. „Es gibt gerade bei den Bios große Unterschiede“, so die Tierschützerin. So habe das Label teilweise strengere Vorschriften zu Transport und Schlachtung.
„Wir haben den höchsten Standard“, sagt dagegen Bioland-Präsident Plagge. Für ihn ist Bio der Beweis, dass mehr möglich ist. Immerhin sei der Öko-Anteil am Geflügelverkauf auf zwei Prozent gestiegen. Doch das ist nur ein Bruchteil des 1,7-Milliarden-Euro-Geschäfts.