Nicht krank, nur langsam: Kinder mit Down-Syndrom

Berlin (dpa/tmn) - Es gab keinen Verdacht, keinen Test, und gesehen hat man auch nichts. Deswegen war die Diagnose für die Familie erstmal ein Schock: Den Ärzten fiel drei Tage nach der Geburt von Ariel auf, dass der Junge Down-Syndrom hat.

Foto: dpa

„Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet“, erinnert sich Ariels Vater Marco Baré aus Berlin. Heute - gut vier Jahre später - ist der erste Schock längst verdaut. „Er fordert einen voll“, sagt der 48-jährige Vater. „Aber er ist nicht anders als andere Kinder. Nur entwicklungsverzögert.“

Foto: dpa

Und es gibt noch einen weiteren Unterschied: Down-Syndrom ist auf eine unregelmäßige Verteilung der Chromosomen bei der Zellteilung zurückzuführen. Es handelt sich demnach um keine Krankheit und auch nicht um die Folgen eines erbliches Gendefektes, wie Kinderarzt Gerhard Hammersen erklärt. Er ist der verantwortliche Arzt der Down-Syndrom-Sprechstunde an der Cnopf'schen Kinderklinik Nürnberg. Bei Kindern mit Down-Syndrom ist das Chromosom 21 in jeder Körperzelle dreimal anstatt zweimal vorhanden. Sie haben also insgesamt 47 statt 46 Chromosomen.

Foto: dpa

Bei Ariel sind die Ärzte durch einen für Down Syndrom typischen Herzfehler auf das überschüssige Chromosom gekommen, erzählt sein Vater. Etwa 40 Prozent der Neugeborenen mit Trisomie 21 haben einen angeborenen Herzfehler, sagt Gerhard Hammersen. Hierbei kann es sich um harmlose Varianten oder um schwerwiegende, auf Dauer mit dem Leben nicht zu vereinbarende Herzfehler handeln: Charakteristisch für das Down-Syndrom ist eine komplexe Fehlbildung des Herzens mit einem gemeinsamen Loch zwischen beiden Herzvorhöfen und -kammern, ein sogenannter atrio-ventrikulärer Septumdefekt.

Foto: dpa

Wie stark Kinder durch das Down-Syndrom in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sein werden, lässt sich nach der Geburt nicht feststellen. Auch Tests vor der Geburt geben darüber keinen Aufschluss, wie Elzbieta Szczebak vom Deutschen Down-Syndrom InfoCenter sagt. Manchen Neugeborenen sieht man es anfangs überhaupt nicht an, dass sie ein Down-Syndrom haben, sagt Hammersen.

Die meisten Babys mit Down-Syndrom haben unter anderem eine geringere Muskelspannung. Szczebak empfiehlt Eltern, so früh wie möglich zur Physiotherapie zu gehen - nicht erst, wenn es ans Laufen geht. Denn auch die Muskeln im Gesicht sind bei vielen Babys zu schlaff zum Trinken. „Die Beschleunigung der motorischen Entwicklung - zum Beispiel das Erlernen des Sitzens, Krabbelns, Stehens und Laufens - ist nicht das Ziel“, betont Hammersen. „Es geht vielmehr darum, dass die Kinder es richtig und gut lernen.“ Das sei auch viel Arbeit für die Eltern, denn sie sollten die Übungen der Physiotherapie zu Hause täglich mit ihren Kindern weiter machen.

Ariel kann seit zwei Jahren laufen. Die Muskelschlaffheit war bei ihm nicht so ausgeprägt, erzählt sein Vater. Er lernt auch gerade, erste Worte zu sprechen. „Man muss genau hinhören“, sagt Baré. Papa zum Beispiel sei nur Pa, Auto nur Au. Beim Lernen helfe Ariel die Gebärden unterstützte Kommunikation (GuK). Dabei werden wichtige Begriffe zunächst mit Gebärden dargestellt, statt gesprochen.

Kinderarzt Hammersen erläutert, dass es zwar viele Ansätze gegeben habe, die Beeinträchtigung des Down-Syndroms durch Medikamente, Gabe von Vitaminen, Spurenelementen, Nahrungsergänzungsstoffen oder durch gezielte, individuelle Nahrungsmittelergänzung (Targeted Nutritional Intervention, TNI) positiv zu beeinflussen. „All diese Maßnahmen haben sich als nicht effektiv erwiesen und konnten die Entwicklung der Kinder nicht positiv beeinflussen. Letztlich sind sie nicht hilfreich und können nicht empfohlen werden.“

Auch wenn es bei den Kindern mit Down-Syndrom eine ebenso große Spannbreite an Fähigkeiten und Persönlichkeiten gibt, wie bei allen anderen Kindern, haben die meisten doch eines gemeinsam: Sie sind anderen Menschen gegenüber sehr offen. „Ariel hat kein Problem damit, sich von seinen Eltern abzusetzen“, erzählt Baré. Er wolle versuchen, Ariel sowohl Nähe, als auch Abstand beizubringen.

Entscheidend im Umgang mit Kindern mit Down-Syndrom ist es, sie nicht zu unterschätzen. „Ihnen mehr zutrauen, ist nicht verkehrt. Im Gegenteil“, betont Szczebak. Auch eine gute Integration in die Familie, in die Nachbarschaft und unter Gleichaltrigen könne die Entwicklung geradezu beflügeln.