Nocebo-Effekt: Wer’s glaubt, wird krank

Der Nocebo-Effekt als böse Schwester des Placebo-Effekts wurde bislang wenig beachtet.

Düsseldorf. Es enthält keinen Wirkstoff, doch es wirkt: Ein Placebo, lateinisch „ich werde gefallen“, ist ein Scheinmedikament, das allein Kraft der positiven Erwartung heilen kann. Die Kehrseite der Medaille heißt „Nocebo“, lateinisch „ich werde schaden“. Medizinische Erwartungen können sich auch negativ erfüllen.

Wer sorgenvoll die möglichen Nebenwirkungen auf dem Beipackzettel liest, verträgt das Medikament vermutlich schlecht. Wer ein Röntgenbild seiner Wirbelsäule sieht, wird sicher länger von Rückenschmerzen geplagt als der, der guten Mutes von Besserung ausgeht.

„Angst gefährdet die Gesundheit“, sagt der Neurologe und Medizinjournalist Magnus Heier, dessen Buch über den „Nocebo-Effekt“ in diesem Monat erscheint. Die Erwartung bestimmt den Verlauf. Das, fordert Heier, müsse sich die Medizin viel mehr bewusst machen. Denn manchmal geht es um Leben und Tod (siehe Kasten).

Seit 2010 untersucht eine Forschungsgruppe die Placebo- und Nocebo-Effekte. Leiter ist der Marburger Psychologie-Professor Winfried Rief. Für ihn sind die positiven und negativen Auswirkungen von Patientenerwartungen „in der klinischen Praxis hoch bedeutsam“. Die Prozesse, auf denen diese Effekte beruhen, seien jedoch noch weitgehend unklar.

Eine Konsequenz liegt jedoch für Rief und Heier auf der Hand: Ein Arzt muss sich genau überlegen, wie er mit Patienten spricht. „Der Umgang mit Prognosen, mit Röntgenbildern, mit Tabletten, mit viel Technik und wenig Worten muss überdacht werden“, schreibt Heier. Aber auch Patienten sollten bedenken, dass die Angst vor Krankheiten krank machen kann. Nicht nur, wenn sie wieder zum Check-Up gehen, sondern vor allem, wenn bald Gentests immer mehr Krankheitsrisiken vorhersagen. Manchmal kann es besser sein, weniger zu wissen.