Pferdefleisch-Skandal erzeugt Druck - Mehr Behörden-Infos
Berlin (dpa) - Amtliche Bekanntmachungen über Betrügereien bei Lebensmitteln können juristisch eine Gratwanderung sein. Künftig sollen Behörden öfter und schneller die Öffentlichkeit informieren - Kritiker finden die Regelungen trotzdem noch zu halbherzig.
Wenn bei Lebensmitteln etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, lautet eine zentrale Frage: Ist es „nur“ dreist und ärgerlich - oder auch gefährlich? Drohen Gesundheitsschäden, müssen die Überwachungsbehörden sofort aktiv werden und die Verbraucher über die betroffenen Produkte informieren. Bei Etikettenschwindel ist die rechtliche Lage dagegen komplizierter. Unter dem Druck des Pferdefleisch-Skandals hat die schwarz-gelbe Koalition nun Tempo gemacht und Konsequenzen vereinbart: Auch bei Täuschungen sollen die Bürger schneller über amtliche Erkenntnisse informiert werden.
Wie soll Etikettenschwindel künftig publik gemacht werden?
Angaben auf der Verpackung dürfen Kunden nicht täuschen oder in die Irre führen. Und wenn doch Betrügereien entdeckt werden, wie nun untergemischtes Pferdefleisch in Produkten mit Rinderhack? Solche erwiesenen gravierenden Täuschungen müssen die zuständigen Kontrollbehörden der Länder künftig verpflichtend veröffentlichen, wie das Bundesverbraucherministerium erläutert. Besteht dagegen erst ein „hinreichender Verdacht“ auf schwere Verstöße, gilt eine Soll-Bestimmung - die Ämter haben einen Ermessensspielraum und sollen die „beteiligten Interessen“ abwägen. Dies kann etwa der Fall sein, wenn Staatsanwälte noch gegen eine Firma ermitteln.
Wie ist die bisherige Rechtsgrundlage für Informationen?
Erst im Herbst ist ein neues „Verbraucherinformationsgesetz“ in Kraft getreten. Als Konsequenz aus früheren Lebensmittelskandalen sieht es vor, dass Behörden von sich aus via Internet informieren müssen, wenn überschrittene Grenzwerte entdeckt werden. Aber auch, wenn zum Beispiel bei Hygiene-Verstößen mindestens 350 Euro Bußgeld zu erwarten sind. Der Pferdefleisch-Skandal habe jetzt aber gezeigt, dass weiterer Handlungsbedarf bestehe, erklärt das Ministerium. Etikettenschwindel soll auch dann publik gemacht werden können, wenn kein Bußgeld oder nur eines von weniger als 350 Euro fällig wird. „Täuschungen im Supermarktregal sind keine Kavaliersdelikte“, sagt der FDP-Verbraucherexperte Erik Schweickert.
Warum kann nicht einfach alles veröffentlicht werden?
Wenn sich ein Verdacht später als falsch herausstellt, kann das Schadenersatzforderungen und für die gebrandmarkte Firma massiven Imageschaden zur Folge haben. Daher sei es richtig, Behörden bei nicht erwiesenem Verdacht Ermessensspielraum einzuräumen, heißt es im Verbraucherressort. Beim Veröffentlichen müsse zwischen drei Dingen abgewogen werden, sagt Verbraucherminister Christian Meyer (Grüne) aus Niedersachsen, wo die Justiz gerade wegen Betrugs mit Eiern ermittelt: „Dem Datenschutz, der Gefahr, die Ermittlungen zu gefährden, und dem Anspruch der Verbraucher, dass bei Skandalen Ross und Reiter genannt werden.“
Auf welches Echo stoßen die Pläne?
Der Opposition gehen sie nicht weit genug. „Wir fordern eine vollständige Offenlegung von behördlichen Untersuchungsergebnissen“, sagt SPD-Verbraucherpolitikerin Elvira Drobinski-Weiß. „Nur wenn Täuscher und Betrüger Angst haben, öffentlich genannt zu werden, wird sich etwas ändern.“ Die Verbraucherorganisation Foodwatch verlangt: „Weg mit dem Ermessensspielraum!“ Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels begrüßt dies dagegen: „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Behörden mit diesem Ermessensspielraum in der Regel verantwortlich umgehen.“