Positiver HIV-Test: Wenn Betroffene emotional zusammenbrechen

München (dpa) - Eine HIV-Ansteckung bedeutete früher gesellschaftliche Ausgrenzung und den sicheren Tod. Laut der Münchner Aids-Hilfe sind Betroffene heute eher chronisch krank, werden aber oft noch immer abgelehnt.

Berater wollen helfen - keine leichte Aufgabe.

Ein Tröpfchen Blut entscheidet beim HIV-Test darüber, ob das Leben weitergeht wie bisher oder ob die Welt zusammenbricht. Antje Sanogo muss in ihrem Job als Beraterin bei der Münchner Aids-Hilfe Testergebnisse mitteilen - negative wie positive. Eine schwierige und belastende Aufgabe, die sie mit anderen Beratern in 120 Mitgliedsorganisationen der Aids-Hilfe in Deutschland teilt, wie sie vor dem Welt-Aids-Tag am 1. Dezember erzählt. Wenn der HIV-Test positiv ist, holt Sanogo tief Luft, denn was sie nun sagen muss, klingt zunächst wie eine Verurteilung: „Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass Sie das Virus in sich tragen.“ Zum Job der 43-jährigen Diplom-Pädagogin gehört es aber auch, die zerstörten Welten wieder aufzubauen.

Wie geht es weiter? Geht es überhaupt weiter? Wie reagieren Familie und Freunde? Was wird aus der Arbeit? Das sind oft die ersten Fragen, die Betroffene direkt nach dem positiven Befund haben. Damit kann die quirlige Sanogo mit den kurzen Haaren umgehen. Sie erklärt die Möglichkeiten von Medikamenten: HIV ist zwar nicht heilbar, aber kein Todesurteil mehr, eher eine chronische Krankheit. Gestorben sind in den zwölf Jahren, die sie den Job macht, jedes Jahr etwa zehn Klienten der Münchner Aids-Hilfe. „Es ist eine Entlastung, dass man über das Hoffnungsvolle, das Medizinische reden kann“, sagt Sanogo. „Für mich ist es am schwierigsten, wenn Betroffene emotional zusammenbrechen und gar nichts mehr sagen.“

Manche, die von ihrer Krankheit erfahren, gehen damit aber gelassen um - vor allem jene, die schon Betroffene im Freundes- und Bekanntenkreis hätten. „Oft sind es die Angehörigen, die völlig aus dem Rahmen fallen“, sagt Sanogo. Sie versuche dann immer klarzumachen, dass man mit dem Sohn oder Bruder am besten genau so umgehen solle wie immer. „Das ist natürlich nicht einfach.“ Deshalb rät sie Betroffenen, ihren Verwandten am besten erst dann von der Krankheit zu erzählen, wenn sie selbst wieder gefestigt sind. „Oft müssen meine Klienten, wenn sie von der Krankheit erzählen, selbst noch trösten, obwohl sie es eigentlich sind, die Trost brauchen.“

Jeden Tag hat sie etwa fünf Klienten. Manche brauchen Hilfe bei Behördengängen, andere einfach eine Schulter zum Anlehnen. Bei ihren Beratungen legt sie viel Wert auf Körperkontakt - bewusst versucht sie, immer an den Händedruck zur Begrüßung und zum Abschied zu denken oder einen Klienten auch mal zu umarmen. „Ich will keinem das Gefühl geben, unberührbar zu sein“, erklärt sie.

Gerade dort, wo man mit Krankheit eigentlich umgehen können sollte, gibt es immer wieder Ausgrenzung: beim Arzt. Auch dorthin begleitet sie Klienten. Bei einem Zahnarzt wurde sie mit einem Klienten weggeschickt, als er von seiner Erkrankung berichtete: „'Das hätten Sie vorher sagen müssen, dann hätten wir den Termin ans Ende der Sprechzeit gelegt, weil wir danach die Instrumente speziell reinigen müssen.' Das war die Begründung.“ Sanogo kann das nicht verstehen.

Auch sie selbst hat immer wieder mit Unverständnis zu kämpfen. Im Privatleben kommt Antje Sanogos Job nicht unbedingt gut an. „Ich glaube, viele verstehen mein Leben nicht. HIV, Aids, schwule Männer, das ist wie ein anderer Planet.“ Denn noch immer sind laut Robert Koch-Institut (RKI) schwule Männer am häufigsten betroffen - mehr als 50 000 der 78 000 in Deutschland lebenden Erkrankten sind Männer, die Sex mit Männern haben.