Gib Gummi: Viele wissen nicht von der HIV-Infektion
Hannover (dpa/tmn) - Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. Experten zufolge ist die Zahl der HIV-Neuansteckungen in Deutschland zwar nicht gestiegen, aber unvermindert hoch. Ein besonderes Problem bei der Übertragung der Krankheit sind die noch nicht erkannten Infektionen.
Aids? Das ist eine Krankheit aus den 1980ern, damit steckt sich doch heute kaum noch jemand an. Gut, in Afrika vielleicht, aber das ist weit weg. Solche oder ähnliche Gedanken dürften hierzulande inzwischen viele Menschen haben. Denn die Furcht vor einer Infektion mit dem HI-Virus (HIV) ist längst nicht mehr so groß, wie sie einmal war. Das ist fatal, denn die Zahl der Neuansteckungen in Deutschland ist nach wie vor hoch.
Problematisch sind dabei vor allem unentdeckte HIV-Infektionen. „Wir gehen davon aus, dass wir rund 30 Prozent aller Menschen mit HIV in Deutschland noch nicht diagnostiziert haben“, sagt Prof. Georg Behrens, Präsident der Deutschen Aids-Gesellschaft und Mediziner an der Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Krankheit kann über Jahre im Körper ruhen, ohne dass sich Auswirkungen zeigen.
Körpereigene Abwehrmechanismen halten das Virus zunächst in Schach. Dennoch kann der HIV-Infizierte den Erreger jederzeit auf Sexualpartner übertragen. Nach frisch erfolgter Infektion ist die Gefahr, andere anzustecken am größten, da in dieser frühen Phase die Viruskonzentration im Körper besonders hoch ist.
HIV-Infektionen möglichst früh zu erkennen und zu behandeln ist aus zwei Gründen wichtig: „Wenn man eine Therapie rechtzeitig beginnt, bevor es zu schweren Komplikationen im Immunsystem kommt, kann man mit den heute verfügbaren Medikamenten Aids-definierte Erkrankungen und das Fortschreiten der HIV-Infektion zu nahezu 100 Prozent verhindern“, betont Behrens. Die Therapie reduziere darüber hinaus aber auch das Ansteckungsvermögen von infizierten Menschen. Die Kombination aus Kondom und Therapie stellt bei Sexualkontakten von Paaren mit einem infizierten Partner Studien zufolge den mit Abstand sichersten Schutz vor einer HIV-Übertragung dar.
Nach den letzten Schätzungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin gab es im Jahr 2012 etwa 3400 Neuinfektionen mit HIV in Deutschland. Die Zahl der Menschen, die hierzulande mit HIV leben, beziffern die Forscher auf etwa 78 000. Am häufigsten stecken sich nach wie vor Männer an, die Sex mit Männern haben. „Homosexuelle Kontakte unter Männern machen etwa zwei Drittel aller Infektionen aus“, erläutert Osamah Hamouda, Leiter der RKI-Fachgruppe HIV/Aids und andere sexuell oder durch Blut übertragbare Infektionen.
Die aktuell zweitstärkste Gruppe sind Menschen, die sich über sexuelle Kontakte zwischen Männern und Frauen anstecken. Statistisch gesehen ist es für homosexuelle Männer Hamouda zufolge zwar wahrscheinlicher, dass sie sich anstecken. Im individuellen Fall sei jedoch jeder ungeschützte Sexualkontakt mit einem wenig bekannten Partner ein Risiko, sich mit HIV zu infizieren.
Das relativ hohe Niveau der HIV-Neuinfektionen hat noch andere Gründe. „Wir müssen uns heute auch sehr intensiv mit dem Thema andere sexuell übertragbare Infektionen befassen“, sagt Prof. Elisabeth Pott von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Diese Krankheiten erhöhen das Risiko, dass HIV-Infizierte das HI-Virus weitergeben. Und wer schon Syphilis, Tripper oder Chlamydien hat, ist empfänglicher für eine HIV-Infektion.
Daten des RKI ließen darauf schließen, dass von den 3700 Syphilisfällen in Deutschland mindestens 80 Prozent durch sexuelle Kontakte zwischen Männern übertragen werden. „Das ist ein wesentlicher Motor der Ausbreitung von HIV“, sagt Pott. Zum Schutz vor HIV sei es deshalb notwendig, auch über die Ansteckungswege anderer sexuell übertragbarer Infektionen Bescheid zu wissen.