Zwischendurch bewegen Schluss machen mit dem Dauersitzen

Regensburg (dpa/tmn) - Die schlechte Nachricht zuerst: Auch Hobbysportler dürfen sich nicht zu sicher fühlen. Wer den lieben langen Tag im Büro am Schreibtisch sitzt, der tut zwar gut daran, abends laufen zu gehen.

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Aber das reicht nicht, sagt Carmen Jochem.

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Die Medizinerin erforscht an der Uni Regensburg, wie sich ununterbrochenes Sitzen auf die Gesundheit auswirkt. Zusammen mit Prof. Michael Leitzmann, dem Direktor des Regensburger Instituts für Epidemiologie und Präventivmedizin, hat sie das Buch „Sitzstreik - Tipps und Tricks gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Sitzens“ geschrieben.

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„Die eine Stunde Sport am Abend macht Dauersitzen tagsüber leider nicht wett“, sagt Jochem. Viel wichtiger ist aus ihrer Sicht, „das Sitzen so häufig wie möglich zu unterbrechen und leichte Bewegung in den Alltag zu integrieren.“ Das könnten auch ganz praktische Dinge sein wie Gartenarbeit, Wäsche aufhängen und Staubsaugen.

Jochem rät, sich zunächst bewusst zu machen, wie viel man wirklich sitzt. Das geht ganz einfach: Eine Uhr auf ein Blatt Papier malen und dann ringsherum eintragen, in welchem Zustand man welche Tätigkeiten ausübt. Beispiel: 6.00 Uhr Frühstück im Sitzen, 7.30 bis 8.00 Uhr Bahnfahrt im Sitzen, 8.00 bis 13.00 Uhr Arbeit im Sitzen, 13.00 bis 14.00 Uhr Mittagessen im - oha - Sitzen. Viele Menschen würden dabei feststellen, dass sie sehr viel mehr sitzen als gedacht, sagt Jochem. „Diese Erkenntnis ist der erste Schritt, um gezielt in den Sitzstreik zu treten.“ Denn dann wisse man, wo sich ansetzen lässt.

Weniger zu sitzen nützt nicht nur - wie manche vielleicht denken - dem Rücken. Auch wer ein kerngesundes Kreuz hat, tut gut daran, sich immer wieder zu erheben. Denn „langes Sitzen erhöht das Risiko für viele Volkskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Krebs und Depressionen“, erklärt die Expertin. Warum? Sitzen regt zum Beispiel den Appetit an, kann zu einer Steigerung des Blutdrucks führen und beeinflusst den Blutzucker-Stoffwechsel.

Wer mehr Bewegung in den Alltag integrieren will, sollte sich selbst überlisten. „Entscheidend ist, immer wieder aufzustehen. Wer steht, geht nämlich oft auch gleich ein paar Schritte.“ Also: Papierkorb und Drucker außer Reichweite aufstellen, im Stehen telefonieren und jedes Glas Wasser einzeln holen. „Auch spezielle Software oder Apps können einen daran erinnern, mal wieder aufzustehen“, sagt Jochem.

Manchen Menschen helfe es auch, Abläufe im Vorfeld bewusst zu planen. „Bevor ich eine Mail abschicke, kann ich mich selbst fragen: Muss ich jetzt wirklich eine Mail schreiben oder kann ich da auch persönlich hingehen? Und dann nehme ich mir das bewusst vor: Ich stehe jetzt auf und gehe zu dem Kollegen.“ Klingt ein bisschen merkwürdig, sagt Jochem - aber es helfe dabei, die eigenen Ziele umzusetzen.

Wer auf seiner Bewegungsuhr sitzende Feierabendtätigkeiten entdeckt hat, kann auch da ansetzen. Statt im Fernsehsessel zu entspannen sei es besser, eine Runde um den Block zu laufen. Noch besser: ein Abendspaziergang im Wald.

Einen wichtigen Tipp hat Jochem noch für Familien: „Kinder gewöhnt man am besten gar nicht erst an das ganze Sitzen.“ Das gehe schon beim Schulweg los. Wo immer es geht, sollten die Kleinen laufen, rollern oder radeln statt im Auto zu sitzen. Auch Schularbeiten müssen heute nicht mehr im Sitzen erledigt werden: „Wenn ein Kind auf dem Boden malt, steht es von ganz allein nach zehn Minuten auf, weil die Knie drücken.“ Und schon hat es sich wieder ein bisschen bewegt.

Literatur:

Michael Leitzmann, Carmen Jochem: Sitzstreik - Tipps und Tricks gegen die Risiken und Nebenwirkungen des Sitzens. Herder. 208 S. Euro 20, ISBN-13 9783451600586